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Henry McCollum und sein Bruder Leon Brown kommen nach 30 Jahren dank neuer DNA-Beweis aus dem Gefängnis frei.

© Reuters

Justizskandal: 30 Jahre schuldlos im Gefängnis

Seit 1984 saßen zwei geistig Behinderte in einem US-Gefängnis - für einen Mord, den sie nicht begangen haben. Nun kamen die Brüder dank neuer DNA-Beweise auf freien Fuß.

Dreißig Jahre nach ihrer Verurteilung wegen der Vergewaltigung und Ermordung einer Elfjährigen sind zwei geistig behinderte Halbbrüder von der US-Justiz als unschuldig entlastet worden. Unter Berufung auf neue DNA-Beweise entließ ein Richter in Robeson County im US-Bundesstaat North Carolina am Dienstag (Ortszeit) den Todeskandidaten Henry Lee McCollum und seinen zu lebenslanger Haft verurteilten Halbbruder Leon Brown aus dem Gefängnis. Der 50-jährige McCollum und der 46-jährige Brown seien 1984 auf Grundlage „falscher Geständnisse“ verurteilt worden, erklärten ihre Anwälte. Das elfjährige Mädchen war 1983 auf einem Feld tot aufgefunden worden, umgeben von leeren Bierdosen und Zigarettenkippen. Zuvor hatte man sie vergewaltigt. Die Polizei verhörte die damals 19- und 15-jährigen Halbbrüder. Obwohl der junge McCollum zunächst nichts über den Vorfall wusste, präsentierte die Polizei nach einem fünfstündigen Verhör ein unterschriebenes Geständnis. Die Geständnisse der zwei Jugendlichen enthielten Fakten zu dem Verbrechen, von denen nach heutiger Kenntnis der Behörden die Halbbrüder unmöglich gewusst haben können. Damals waren die Ermittler aber noch nicht zu Ton- oder Videomitschnitten von Geständnissen verpflichtet.

McCollum und Brown wurden beide zum Tode verurteilt, Browns Strafe wurde später zu lebenslanger Haft umgewandelt. McCollum war bis Dienstag North Carolinas am längsten im Todestrakt einsitzender Häftling.

Knapp einen Monat nach dem Mord an der Elfjährigen war damals in derselben Stadt die Leiche einer ebenfalls vergewaltigten und getöteten 18-Jährigen auf einem Feld gefunden worden. Dafür wurde ein heute 74-Jähriger als Täter verurteilt. Obwohl der Mann nur hundert Meter vom Fundort der Leiche der Elfjährigen entfernt wohnte, wurde er 1983 nicht dazu verhört. DNA-Vergleiche führten nun wieder zu ihm als Spur.
„Es ist erschreckend zu sehen, dass unser Justizsystem zwei geistig behinderte Kinder ins Gefängnis geschickt hat für ein Verbrechen, das sie nicht begangen haben“, sagte McCollums Anwalt Ken Rose. Er arbeitet für das Center for Death Penalty Litigation, das in North Carolina Todeskandidaten wie McCollum juristisch betreut.
Die Angelegenheit komme einem vor wie ein „Fall aus einem anderen Zeitalter“, sagte der Direktor des Todesstrafen-Informationszentrums in Washington, Richard Dieter. Es wäre aber naiv zu glauben, es hätte bei keinem der seit 1976 in den USA hingerichteten 1386 Menschen ähnliche Missgriffe gegeben. AFP/dpa

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