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Kabinett Obama: Clinton als Außenministerin? "Das ist nur ein Kompromiss"

Vier Wochen nach der Wahl stellt der künftige Präsident Obama sein Team für die Außen- und Sicherheitspolitik vor. Spektakulär daran ist, dass seine ehemalige Konkurrentin Hillary Clinton Außenministerin werden soll. US-Experte Thomas Greven erklärt, warum Obama eine "1 mit Sternchen" verdient hat und welche Taktik hinter der Benennung der Ministerposten steht.

Herr Greven, Barack Obama hat nicht einmal drei Monate Zeit, um sich in seinen künftigen Job als mächtigster Mann der Welt einzuarbeiten. Wie meistert er diese Phase denn bislang?

Wie Obama diese so genannte Transition Period bisher handhabt, hat wirklich eine 1 mit Sternchen verdient. Da kann man nur sagen: Hut ab! Er selber ist, wie auch schon im Wahlkampf, immer Herr der Lage und kontrolliert die öffentliche Darstellung.

Und das, obwohl er plötzlich eine ganze Menge zu organisieren hat ...

Das Erstaunliche ist, dass im Hintergrund diese ganze Maschinerie schon lange läuft. Alles ist, wie wir es von Barack Obama gewohnt sind, vorbildlich und akribisch vorbereitet. Allerdings ohne dass die Öffentlichkeit im Wahlkampf etwas davon mitbekommen hätte. Denn es hätte ganz schön arrogant ausgesehen, schon alles zu organisieren, wenn man noch nicht einmal gewählt ist.

Obama zieht damit die Lehren aus den misslungenen Transition Periods anderer US-Präsidenten. Clinton beispielsweise hat seine Übergangsphase völlig verbockt. Es hat ewig gedauert, bis alle Ämter besetzt waren. Und Clinton hat nicht zuletzt deshalb in den ersten Monaten viele politische Kämpfe verloren. Das soll bei Obama vermieden werden und deswegen wurde es so professionell vorbereitet.

Kommen wir einmal zu einer der spannendsten Personalfragen: Warum Hillary Clinton als Außenministerin?

Clinton als Außenministerin ist für ihn eine "mixed bag", eine Sache mit guten und schlechten Seiten. Meine Einschätzung ist, dass Hillary Clinton ihre Rolle eigentlich darin sieht, die Gesundheitsreform voran zu treiben. Aber als Gesundheitsministerin möchte Obama sie nicht haben - aus gutem Grund. Denn Frau Clinton hat bereits schon mal eine Gesundheitsreform mit in den Sand gesetzt, zusammen mit ihrem Mann in den 90er Jahren. Obama muss Clinton also etwas anderes anbieten, ihr etwas anderes schmackhaft machen. Das Amt der Außenministerin bietet sich da an: es ist prestigeträchtig, aber Hillary Clinton ist zugleich dem Präsidenten völlig unterstellt. Sie ist weisungsgebunden.

Aber seit wann ist Clintons Steckenpferd denn die Außenpolitik? Sollte da nicht jemand sitzen, der schon viel Erfahrung auf dem Gebiet hat?

Es stimmt, sie ist bislang nicht besonders als Außenpolitikerin zur Geltung gekommen. Sie ist im Senat nicht einmal im außenpolitischen Ausschuss, sondern im Verteidigungsausschuss. US-Außenminister ist aber kein Minister im deutschen Sinn, er heißt nicht umsonst "Secretary". Hillary wäre vollkommen an die Anordnungen Obamas gebunden. Es ist eine Entscheidung des Präsidenten, wie wichtig der Außenminister wirklich wird. Denn es gibt andere Sicherheitsberaterposten, die in der Außenpolitik sehr viel relevanter sein können, besonders die Rolle des nationalen Sicherheitsberaters.

Also ist es ein schlichter Kompromiss, Hillary Clinton ins Außenamt zu setzten. Denn einfach übergehen bei der Vergabe der Posten kann Obama sie wohl schlecht, oder?

Nein, dafür hat sie zuviel Macht und zu viele Anhänger. Es galt wohl vor allem zu verhindern, dass Clinton zu stark in der Gesundheitspolitik mitmischt, ihrem Wunschpolitikfeld, auf dem sie aber aufgrund ihrer umstrittenen Tätigkeit als First Lady zu stark polarisiert. Außerdem gibt die Ernennung Hillary Clintons zur Außenministerin Pluspunkte für Obama: Er sichert sich damit gegenüber der jüdisch-amerikanischen Wählerschaft etwas ab. Obama selber hat das Vertrauen dieser Community noch nicht. Clinton aber gilt als eindeutige Unterstützerin Israels.

Neben Hillary umgibt sich Obama mit zahlreichen alten Clinton-Mitarbeitern, es sind viele bekannte Gesichter. Läuft Obama Gefahr, von den Clintons eingewickelt zu werden?

Nein. Es zeigt nur wieder: Obama ist gar nicht so sehr links von Clinton, wie gerne angenommen wird. Obama ist bei vielen Fragen sogar eher rechts von Hillary. Daran, dass er sich viele dieser alten Clinton-Leuten ins Boot holt, sieht man, dass er im Grundsatz gar nicht so weit weg ist von der zentristischen Politik Bill Clintons.

Aber wie viel Wandel kann man denn dann überhaupt von Obamas "Change" erwarten?

Es ist vergleichsweise unbestimmt geblieben, was dieser Change sein soll. Viele erwarten angesichts der Finanzkrise einen neuen "New Deal" á la Roosevelt. Allerdings wird sich die Hoffnung nicht ganz erfüllen, das sehen wir eben an den ganzen Clinton-Leuten, die Obama rekrutiert. Diese so genannten New Democrats haben an der Liberalisierung der Finanz- und Handelsmärkte einen nicht unerheblichen Anteil gehabt. Sie begrüßen es grundsätzlich, die Marktkräfte walten zu lassen und stehen einer aktiveren Rolle des Staates, einer "New-Deal-Politik" eigentlich sehr skeptisch gegenüber. Das Obama also in seinem Team sehr viele dieser marktliberalen New Democrats versammelt, zeigt, dass zumindest im Bereich Wirtschaft vorerst kein großer Wandel zu erwarten ist. Aber Obama muss erst einmal ein bisschen experimentieren. Vielleicht wird es, wenn sich die Krise verschärft, doch noch einen grundsätzlicheren Wandel geben.

Wie kommt diese "Clinton-Mania" in Obamas Team bei der Bevölkerung an?

Allgemein gilt: Je weiter die Zeit der Clinton-Regierung weg ist, desto positiver wird sie gesehen. Es war eine Zeit der Prosperität, es gab keinen nennenswerten Krieg. Im Nachhinein war es lächerlich, woraus damals Staatsaffären gemacht wurden: Bill Clintons Affäre mit einer Praktikantin, zwanzig bis dreißig getötete amerikanische Soldaten in Somalia. Darüber gab es damals große Aufregung.

George W. Bush hat die USA nun außenpolitisch und innenpolitisch in eine tiefe Krise getrieben und deswegen wirken die Clinton-Jahre im Rückblick heute positiver. Insofern denke ich, dass die breite Bevölkerung es grundsätzlich begrüßt, dass an die alte Clinton-Politik - zumindest personell - angeschlossen wird.

Eine andere Überraschung in Obamas Kabinettsbesetzung: Der Republikaner Robert Gates soll weiterhin Pentagon-Chef bleiben. Was bezweckt Obama denn nun wieder damit?

Da kann ich nur spekulieren: Obama hatte ja angekündigt, dass er Republikaner in die Regierung aufnehmen wird. Und Robert Gates ist da der Weg des geringsten Widerstandes: Obama hält Wort, nimmt Republikaner in die Regierung auf – und möglicherweise lässt er ihn nur ein Jahr ran. Dann hätte er an der Oberfläche sein versprechen gehalten und einen Republikaner aufgenommen, der aber langfristig keinen Schaden anrichten kann. Und Gates ist auch vertraut mit der aktuellen Situation im Irak und kann den Truppenabzug organisieren. Ein weiterer Pluspunkt. Allerdings sind diejenigen, die Obama vor allem wegen seiner Opposition zum Krieg gewählt haben, etwas irritiert, halten aber still.

Ihr abschließendes Fazit zu Obamas neuem Kabinett und die Handhabung seiner Übergangsphase lautet also?

Er schlägt sich ganz ordentlich.

Thomas Greven ist Gastprofessor am John-F. -Kennedy-Insitut der Freien Universität Berlin. Schwerpunkt seiner Forschungs ist die US-amerikanische Innenpolitik.

Interview von Simone Bartsch

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