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Zu spät. Inzwischen ist das Gefängnis wieder gut bewacht.

© dpa

Kandahar: Taliban-Massenausbruch aus afghanischem Gefängnis

Hunderte Häftlinge sind mit Hilfe eines Fluchttunnels aus einem Gefängnis im afghanischen Kandahar ausgebrochen, darunter viele Taliban-Kämpfer. Es war nicht das erste Mal, dass eine solche Massenflucht gelang.

Ein Tunnel führte in die Freiheit: Die radikal-islamischen Taliban haben im südafghanischen Kandahar einen spektakuläre Gefängnisausbruch organisiert und damit mehreren Hundert Aufständischen die Flucht ermöglicht. 475 Gefangene seien bei der Nacht- und Nebelaktion durch einen mehr als 300 Meter langen Tunnel entkommen, erklärte der Chef der Haftanstalt Sarposa, Ghulam Destageer Mayar, am Montag.

Auch Stunden nach der Massenflucht stand den Behörden der Schock ins Gesicht geschrieben. Die Taliban hätten monatelang an dem Tunnel gearbeitet, sagte Gouverneur Tooryalai Wesa. Ausgangspunkt sei ein Wohnhaus gewesen, von dem aus die Aufständischen den Weg in den politische Trakt der Anstalt gefunden hätten. Dass die Grabungen unbemerkt blieben, sei auch auf das „dienstliche Versagen“ von Geheimdienst und Gefängnispersonal zurückzuführen, befand Wesa. Ein Sprecher von Präsident Hamid Karsai nannte die Flucht einen „schweren Schlag“. „Das hätte niemals passieren dürfen.“ Die Behörden seien nun dabei, die genauen Umstände der Flucht zu ermitteln.

Das für die Gefängnisse des Landes zuständige Justizministerium versuchte dagegen den schweren Zwischenfall herunterzuspielen. „Das kann überall auf der Welt passieren“, sagte der stellvertretende Minister Mohammad Hashminsai, der aus der Hauptstadt Kabul in den Süden geeilt war. „Wir werden ausreichende Vorkehrungen treffen, damit sich so etwas in Zukunft nicht wiederholt.“ Was der Minister verschwieg: Vor knapp drei Jahren, im Juni 2008, gab es aus demselben Gefängnis schon einmal einen spektakulären Massenausbruch.

Damals attackierten Dutzende schwer bewaffnete Aufständische die Haftanstalt am Stadtrand von Kandahar und befreiten 400 Gesinnungsgenossen. 600 weitere Gefangenen nutzten die Gunst der Stunde ebenfalls zur Flucht. Bei der Aktion sprengte unter anderem ein Selbstmordattentäter den Angreifern den Weg durch den Haupteingang frei. 18 Menschen starben, darunter 10 Polizisten. In der Region Kandahar wurde unterdessen eine Großfahndung nach den Flüchtigen eingeleitet. Nach Aussage von Gouverneur Wesa gelang es den Sicherheitskräften, die ersten Ausbrecher wieder einzufangen.

Die Internationale Schutztruppe Isaf bot den afghanischen Behörden Unterstützung an. Das Gefängnis sei nicht von der Isaf betrieben worden, daher wisse man noch nicht, welche Rolle die Ausbrecher innerhalb der Taliban-Bewegung gespielt haben, sagte der deutsche General und Isaf-Sprecher Joseph Blotz. Allerdings sei der Vorfall ein „Rückschlag“ im Kampf gegen die Aufständischen.

Beobachter in Kabul sehen in der Massenflucht auch ein Indiz dafür, dass afghanische Armee und Polizei noch längst nicht in der Lage sind, ohne Hilfe der Isaf für Ruhe und Ordnung im Land zu sorgen. Der Countdown zur Übergabe der Sicherheitsverantwortung Ende 2014 läuft allerdings bereits. Schon ab Juli sollen die Afghanen in sieben Städten und Provinzen das Kommando von der Isaf übernehmen.

Darunter ist die nordafghanische Stadt Masar-i-Scharif, für die derzeit noch die Bundeswehr zuständig ist. Die Taliban könnten sich dann auf genau diese Regionen konzentrieren, um den afghanischen Sicherheitskräften weitere Schläge zu versetzten. (dpa)

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