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Politik: Kanzlerin will bei Bush das Klima retten

Hohe Erwartungen vor dem EU-USA-Gipfel

Washington - Kanzlerin Angela Merkel will beim EU-USA-Gipfel heute in Washington ihren Einfluss auf Präsident George W. Bush nutzen, um die USA auf mehr Klimaschutz festzulegen. Es soll auch ein Vertrag über eine „Neue transatlantische Wirtschaftspartnerschaft“ unterzeichnet werden. Ein Problem sind die hohen Erwartungen, die das Kanzleramt geweckt hat. Substanzielle Fortschritte sind beim Klima nicht zu erwarten. Bei der Harmonisierung technischer Standards, die beiden Seiten Milliardenkosten ersparen könnte, gibt es nur einen Einstieg. Der Gipfel dürfte aber Merkels starke Stellung in der internationalen Politik illustrieren. Die EU-Partner und die USA kommen ihr rhetorisch entgegen.

In den vergangenen Wochen musste das Kanzleramt seine Klimaziele immer weiter reduzieren. Auf verbindliche Zahlen wollen sich die USA nicht festlegen, auch nicht auf verbindliche Mechanismen zur Reduzierung der Treibhausgase oder den Emissionshandel. Merkel zuliebe wird Bush eine gemeinsame Erklärung unterschreiben, wonach die Erderwärmung „ein ernstes Problem“ sei, das rasches Eingreifen erfordere. Das hatte er auch schon in seiner „State of the Union“-Rede zu Jahresbeginn gesagt. Merkel kann Bushs Zugeständnis als Hoffnungszeichen für verbindliche Zusagen beim G-8-Gipfel in Heiligendamm im Juni interpretieren.

Ähnlich bei der Wirtschaftspartnerschaft: Die Vision der 90er Jahre, eine atlantische Freihandelszone, in der es nicht nur keine Zölle mehr gibt, sondern auch keine anderen Barrieren für Warenaustausch und Investitionen, ist kein Nahziel mehr. Für Konzerne, die auf beiden Seiten des Atlantiks agieren, sind die unterschiedlichen Vorschriften in der EU und den USA, von Bankbilanzen und Börsenzulassung über die Pharmabranche bis zu technischen Normen im Autobau, teuer und aufwendig. Sie müssen doppelte Zulassungsverfahren durchlaufen. Die Angleichung aller Normen gilt aber als politisch unrealistisch. Für nicht so wettbewerbsfähige Firmen ist das Beharren auf eigenen Vorschriften ein Schutzmechanismus gegen auswärtige Konkurrenz, entsprechend beeinflussen ihre Lobbyisten die Gesetzgeber. Ein Ausweg ist die gegenseitige Anerkennung der unterschiedlichen Vorschriften in der EU und den USA. Einig ist man sich bei der Bilanzierung in Banken und anderen Finanzdienstleistern sowie manchen Zulassungsverfahren in der Chemie- und Pharmaindustrie. Dieser Erfolg wurde jedoch bereits gefeiert, er lässt sich nicht mehr als Gipfelergebnis vermarkten.

Das Treffen wird zudem mit zusätzlichen Themen überfrachtet, so dass die Zeit für eine ernste Debatte über strategische Ziele wie den Klimaschutz fehlt. Die SPD verlangt, dass Merkel die Raketenabwehr zur Sprache bringt, obwohl dies eher ein Nato- als ein EU-Thema ist. Manche wünschen, die Europäer sollten Bush drängen, Weltbankpräsident Paul Wolfowitz fallen zu lassen, der wegen einer ungewöhnlichen Gehaltserhöhung für seine Freundin mit Rücktrittsforderungen konfrontiert ist. Wieder andere hoffen auf eine Belebung des Nahostfriedensprozesses.

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