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Immer weitere Missbrauchsvorfälle in der Katholischen Kirche werden bekannt.

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Katholische Kirche: Chilenischer Ex-Bischof soll Ministranten missbraucht haben - und wohnt jetzt in Deutschland

Mehrere Opfer aus Chile beschuldigen den Priester. Der lebt mittlerweile bei Koblenz, eine kirchenrechtliche Untersuchung läuft.

Francisco José Cox ist jetzt 84 Jahre alt, er ist krank und pflegebedürftig, und seine Mitbrüder von der katholischen Schönstatt-Bewegung in Vallendar bei Koblenz stellen auch schon eine beginnende Demenz fest. Es ist also nicht klar, ob er noch weiß, dass frühere Messdiener erklären, sie seien von Cox sexuell missbraucht worden, als der noch Bischof im chilenischen Chillán war. Es ist unklar, ob Cox noch weiß, dass er 1997 als Erzbischof von La Serena, Chile, zurückgetreten ist, weil er „für die begangenen Fehler um Vergebung“ bitten wolle. Aus Sicht von Messdienern hießen die Fehler: sexueller Missbrauch. Und weiß Cox, dass er seit 2002 in Vallendar lebt und die Staatsanwaltschaft Koblenz im August 2018 eine Anzeige gegen ihn erhielt?

Der Vorwurf: Cox soll 2004 einen minderjährigen Bolivianer missbraucht haben. Cox war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Klar ist aber auf jeden Fall, dass die causa Cox bestens ins Bild einer Kirche passt, in der eine „Kultur des Missbrauchs und des Vertuschens“ herrschte. Papst Franziskus hatte das gesagt, jener Papst, der im Januar Chile besucht hatte und dem wütende Protestrufe von Demonstranten entgegenschallten. Dutzende Menschen protestierten gegen Bischöfe, die Missbrauchsfälle in der Vergangenheit vertuscht hatten.

"Er küsste einen Jungen ohne T-Shirt"

Im Moment ist der Fall Cox in Chile großes Thema. Frühere Ministranten haben im Sommer Strafanzeige gegen ihn gestellt, sie wurden gerade vom Staatsanwalt vernommen, Medien berichten ausführlich. Und dann platzt auch noch die Nachricht herein, dass im Exil in Deutschland eine weitere Anzeige eingegangen ist.

Einer der mutmaßlich Betroffenen in Chile ist Hernan Godoy, jetzt 46 Jahre alt. Er war minderjährig, als er Messdiener bei Bischof Cox in Chillán war. In der chilenischen Zeitung „Laterca“ berichtet er, was er erlebte, als er mal die Tür zu Cox’ Büro öffnete: „Er küsste einen Jungen, er berührte ihn, der Junge war ohne T-Shirt, es war schockierend.“ Er habe dann leise die Tür geschlossen und sei gegangen. „Ich habe nicht geahnt, dass mir bald das Gleiche passieren würde.“

Abel Soto Flores, heute 49 Jahre alt, war auch Ministrant in Chillán, auch er bezeichnet sich als Opfer von Cox. Flores sagt jetzt „Laterca“, „dass viele Leute wussten, was er tat. Sie wussten von seinen Küssen auf den Mund, alles war traumatisierend“. Cox sei ständig von Minderjährigen umgeben gewesen. Flores hat Cox im Juni 2018 angezeigt. Er habe Jahre gebraucht, um mit seinen Eltern über die Erlebnisse zu reden.

Hinweise zu Cox’ Verhalten und entsprechende Hinweise gab es schon frühzeitig, aber offiziell Anzeige wurde nie erstattet. Stattdessen wurde Cox mehr oder weniger zum Rücktritt als Erzbischof gedrängt. Der Vatikan übertrug ihm danach Verwaltungsaufgaben in Rom und bei der lateinamerikanischen Bischofskonferenz. 2002 siedelte Cox nach Deutschland über, zum Institut der Schönstatt-Bewegung in Vallendar.

Chile fordert Auslieferung von Cox

In Vallendar nahm 2004 ein 17-jähriger Bolivianer an einem Studienprogramm der Schönstatt-Patres teil. Dort soll, so lautet der Vorwurf, Cox „sexuelle Handlungen“ an dem Minderjährigen vorgenommen haben. Im November teilte der Betroffene, der inzwischen US-Amerikaner geworden war, seine Erlebnisse dem Missbrauchs-Beauftragten der Patres mit. Der veranlasste eine kirchliche Untersuchung in den USA, wo der gebürtige Bolivianer inzwischen lebte. Die Kirchenrechtler stuften den Vorwurf als glaubhaft ein, im August 2018 zeigten die Schönstatt-Patres ihren Mitbruder Cox bei der Staatsanwaltschaft Koblenz an.

Doch die lehnte weitere Ermittlungen ab. Der gebürtige Bolivianer sei zur Tatzeit 17 Jahre alt gewesen. Laut damaliger Gesetzeslage seien aber „durch den Tatbestand des Missbrauchs von Jugendlichen nur Personen unter 16 Jahre geschützt“. Eine kirchenrechtliche Untersuchung gegen Cox läuft allerdings.

In Chile wird Cox’ Auslieferung gefordert. Felipa Barraza, Sprecher einer Opfergruppe, sagt: „Es ist sehr mühsam, bis die Kirche uns glaubt und wir beim Thema Missbrauch Fortschritte machen. Cox müsste in Chile vor Gericht gestellt werden.“ So sieht es auch Hernan Godoy. „Laterca“ sagte er: „Vielleicht muss er nicht ins Gefängnis. Mir gäbe es Ruhe, wenn er vor Gericht wäre, wenn man mich anhören würde und wenn man Cox als eine unmoralische Person erkennen würde.“

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