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Politik: Katzenjammer und Kaffee

In Frankfurt arbeiten Andrea Ypsilanti und Hessens SPD das Scheitern des Traums von der Regierung auf

Hier ist die SPD noch zu riechen. Das braun gekachelte Treppenhaus zieren angewelkte Grünpflanzen, und im Hof stapeln sich die letzten Wahlplakate mit dem Konterfei von Andrea Ypsilanti, gerade so, als seien sie jede Sekunde zum Einsatz bereit. In dem 50er-Jahre- Bau in der Frankfurter Stadtmitte, wo die SPD Hessen-Süd zu Hause ist, wollte Hessens SPD ihre Wunden lecken. Wunden, die geschlagen wurden, weil Dagmar Metzger tags zuvor für sich entschieden hat, den Schwenk zur Linken nicht mitzumachen.

Im großen Sitzungssaal im ersten Stock wollen Hessens Sozialdemokraten das Scheitern ihrer Regierungsträume aufarbeiten. Es entwickelt sich ein Sitzungsmarathon für Andrea Ypsilanti und ihre Genossen: Erst Landesvorstand, dann Landesparteirat und anschließend noch einmal Fraktionssitzung. Am Ende steht ein einstimmiger Beschluss des Landesparteirates, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Die Lage wird als „schwere Belastung für die SPD Hessen bezeichnet“, aber Andrea Ypsilanti soll als Parteivorsitzende weitermachen. Nur Dagmar Metzger habe nach Ansicht vieler Genossen ihr Recht auf ihr Landtagsmandat mit ihrer Gewissensentscheidung verwirkt. Schließlich könnten Quertreiber nicht gebraucht werden in einer Zeit, in der viele Sitzungsteilnehmer immer wieder „Geschlossenheit“ anmahnen und von angeblich herrschender „Einstimmigkeit“ sprechen.

Metzger selbst hat noch einmal ihre Position dargelegt, untermalt von lautem Grummeln. Gelassen hat sie sich die zum Teil harschen Vorwürfe angehört. Spurlos sind sie nicht an ihr vorübergezogen. Metzger denkt darüber nach, ihr Mandat niederzulegen, wenn der Landesparteitag der hessischen SPD am 29. März entscheiden sollte, doch wieder Verhandlungen für eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Duldung der Linken aufzunehmen. Fraglich ist allerdings, ob sie das von der Partei gestellte Ultimatum, sich bis Dienstag zu entscheiden, erfüllt.

Dann jedoch wäre der Weg für Ypsilanti wieder frei. Ist Metzger erstmal weg, könnte es ja schließlich klappen – wenn deren Nachrücker im Landtag mitspielt. „Ich will nicht ausschließen, dass wir es im Mai noch einmal probieren“, sagte Petra Fuhrmann, Mitglied im SPD- Landesvorstand und Fraktionsvize. Die hessische SPD scheint entschlossen, einen neuen Anlauf zu starten, ohne Metzger. Aber mit Jürgen Walter, der die Beschlüsse mitgetragen hat. Andrea Ypsilanti bemühte sich um einen kämpferischen Eindruck. Die Lage sei „schwierig, aber nicht hoffnungslos“, sagte sie vor der Sitzung. Nur ihre gebückte Haltung, ihr ernster Blick verrieten, dass die vergangenen Tage sie Kraft gekostet haben. Scheu huschte sie an den Kameras vorbei in Richtung Sitzungssaal.

Was sie da erwartete, dürfte sie aber glücklich gestimmt haben. Minutenlang applaudierten die Genossen ihrer Beinahe-Ministerpräsidentin. Auch in der außerordentlichen Fraktionssitzung wird ihr von 40 anwesenden Mitgliedern das Vertrauen ausgesprochen – einstimmig, Dagmar Metzger eingeschlossen. Doch ganz so harmonisch war der Sitzungsverlauf nicht. Die hessische SPD ist mit sich selbst beschäftigt und wollte dabei auch nicht gefilmt werden. Also wurde das vordere Zimmer zur No-go-Area für die Kamerateams. Doch die hitzige Debatte drang trotzdem nach außen. „Es muss Schluss damit sein, alles unter den Teppich zu kehren“, echauffierte sich ein Juso im Saal. Personelle Konsequenzen forderte er, weil Abgeordnete Ypsilanti ins offene Messer hätten laufen lassen. „Wir haben draußen für diese Sache für lau Wahlkampf gemacht und lassen uns das nicht von Leuten kaputt machen, die dafür auch noch 7000 Euro im Jahr bekommen“, schimpft er.

Dabei ist klar, wem die Attacke galt: Dagmar Metzger, Jürgen Walter und den SPD- „Netzwerkern“, die als Strippenzieher vermutet werden. Aber auch der Parteiführung, die eine offene Debatte nicht zu wollen scheint. Schließlich sollte nach sieben Stunden Debatte nicht das Bild einer zerrissenen Partei bleiben.

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