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Russland

© AFP

Kaukasus-Konflikt: Gezielte Eskalation

Russland setzt auf Konfrontation - mit dem Westen und mit widerspenstigen Nachbarn: Südossetien und Abchasien werden von Moskau anerkannt. Steuern wir auf einen neuen kalten Krieg zu?

Im dunkelblauen Zweireiher trat Dmitri Medwedew am Dienstag vor die Fernsehkameras, um der Nation zu verkünden, er habe soeben zwei Dekrete unterzeichnet, mit denen Russland die staatliche Souveränität Südossetiens und Abchasiens anerkenne. Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, aber die einzige Möglichkeit, Menschenleben zu retten. An andere Staaten appellierte der Kremlchef, dem Beispiel Russlands zu folgen.

Zuvor war der Nationale Sicherheitsrat in seiner Sommerresidenz bei Sotschi zu einer außerordentlichen Tagung zusammengetreten. Dabei, so Radio Echo Moskwy, sei es nicht nur um die Anerkennung der beiden Regionen gegangen, die beide Kammern des russischen Parlaments am Montag empfohlen hatten, sondern auch um die Folgen dieses Schritts.

Tiflis und dessen Partner im Westen betrachten beide Regionen nach wie vor als Teile des georgischen Staatsverbandes. Beobachter wie Alexej Malaschenko von der Moskauer Carnegie-Stiftung hatten daher zu bedenken gegeben, Russland täte gut daran, mit einer Anerkennung der Separatistenregime zu drohen, die rote Linie jedoch nicht zu überschreiten, um sich Alternativen offen zu halten.

Zwangsläufig steuert die Kaukasuskrise nun das nächsthöhere Stadium ihrer Eskalation an. Der Konflikt um Südossetien ist damit auf dem besten Wege, sich zu einer globalen Krise auszuwachsen. Seit Montag bereits kreuzen zehn Kampfschiffe der Nato im Schwarzen Meer vor Georgiens Küste. Weitere acht sind auf dem Weg dorthin. Ein US-amerikanischer Zerstörer, der nach russischer Darstellung Flügelraketen – eventuell mit Kernsprengköpfen – an Bord haben soll, kreuzt seit gestern Mittag vor Georgiens Kriegshafen Poti, den nach wie vor russische Truppen kontrollieren. Russland fühlt sich dadurch bedroht und beorderte in der Nacht zum Dienstag Kampfschiffe seiner Schwarzmeerflotte in das Krisengebiet. Gestern Mittag gingen sie vor Abchasiens Hauptstadt Suchumi vor Anker.

Das sorgt zwangsläufig nicht nur für neue Spannungen mit Kiew, sondern heizt auch den dortigen Machtkampf weiter an. Denn Russland nutzt den ukrainischen Hafen Sewastopol als Flottenbasis. Die wiederum dürfen russische Schiffe nur noch mit Genehmigung der Ukraine und nach Offenlegung der geplanten Mission verlassen. So ein Erlass von Präsident Viktor Juschtschenko, der sein Land nicht als Aufmarschbasis gegen das befreundete Georgien missbraucht sehen will. Die Regierung konnte dies jedoch noch nicht in geltendes Recht umsetzen. Premier Julia Timoschenko steht dafür nicht zur Verfügung und hofft, der Kreml werde das mit massiver Unterstützung ihrer Kandidatur bei den Präsidentenwahlen in anderthalb Jahren honorieren.

Zwischen Russlands Einmarsch in Südossetien und der prowestlichen Politik, die Georgien wie die Ukraine betreiben, stellte das russische Staatsfernsehen bereits am ersten Kriegstag einen Kausalzusammenhang her und trommelt seither aggressiv für einen Machtwechsel in Kiew wie in Tiflis. Das Kalkül: Mit Ausnahme der Baltenstaaten würden alle ehemaligen Unionsrepubliken dann wieder von loyalen oder wenigstens neutralen Politikern regiert.

Das wirkt offenbar. Jedenfalls in Moldawien. Dessen Präsident Wladimir Woronin hat – so die russische Version – inzwischen höchstselbst um einen Termin im Kreml gebeten, um sich mit Russland brüderlich über das weitere Schicksal von Transnistrien zu einigen. In der von Slawen besiedelten Region am linken Dnestr-Ufer hat Moldawien momentan so wenig zu sagen wie Georgien in Südossetien.

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