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Politik: "Kein Debakel für die Vereinten Nationen"

Die Luftangriffe der NATO auf serbische Ziele sind nach Ansicht von Bruno Simma, Mitglied der UN-Völkerrechtskommission "kein Debakel für die Vereinten Nationen".Die Allianz habe zwar die UN-Charta mit ihrem Angriff auf einen souveränen Staat ohne ausdrückliches Mandat des Sicherheitsrats verletzt.

Die Luftangriffe der NATO auf serbische Ziele sind nach Ansicht von Bruno Simma, Mitglied der UN-Völkerrechtskommission "kein Debakel für die Vereinten Nationen".Die Allianz habe zwar die UN-Charta mit ihrem Angriff auf einen souveränen Staat ohne ausdrückliches Mandat des Sicherheitsrats verletzt.Aber die Interpretation, "daß die UN abgedankt haben und von der NATO übergangen worden sind, ist nicht richtig", sagte der Professor für Völkerrecht an der Universität München im Gespräch mit dem Tagesspiegel.Vielmehr habe sich das Bündnis bei der Begründung seiner Intervention "eng an Sinn und Logik der Resolutionen des UN-Sicherheitsrates gehalten".

Er habe die Hoffnung, daß der UN-Sicherheitsrat durch diese Erfahrung handlungsfähiger werde, sagte Simma."China und Rußland müssen mit ihrer Veto-Politik verantwortungsvoller umgehen." Der Sitz im Sicherheitsrat sei für Moskau "eine der letzten Bastionen der Großmachtstellung.Die verliert es, wenn es die USA durch Blockadepolitik ermuntert, den Sicherheitsrat zu umgehen."

Die Entwicklung hänge auch von der NATO ab.Ihre neue Doktrin, die der Gipfel in Washington Ende April verabschieden soll, sei ein Prüfstein.Die USA drängten auf eine Formulierung, daß die Allianz sich zwar um ein UN-Mandat für Interventionen bemühen müsse, nötigenfalls aber auch handeln solle, wenn dies am Veto anderer Mitglieder des Sicherheitsrats scheitere."Die Bundesregierung und andere Verbündete sagen dagegen, daß die Luftangriffe gegen Serbien ohne ausdrückliches Mandat die absolute Ausnahme bleiben müssen", begründet Simma seine Hoffnung, daß Lehren aus dem Kosovo-Konflikt die Rolle der UN stärken.

Mit seinen Resolutionen zum Kosovo-Konflikt habe der UN-Sicherheitsrat die Grundlagen für ein militärisches Eingreifen gelegt, es fehlte nur der allerletzte Schritt der ausdrücklichen Autorisierung oder Ermächtigung, erläutert Simma.Wegen des Kosovo hatte der Sicherheitsrat mit der Resolution 1160 vom 31.März 1998 Sanktionen gegen Belgrad verhängt.Darin sei aber noch nicht von einer "Bedrohung von Frieden und Sicherheit in der Region" die Rede - eine Voraussetzung für militärische Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta -, weil Rußland drohte, sein Veto dagegen einzulegen, daß Menschenrechtsverletzungen in einem souveränen Staat so bewertet werden.

Diesen "Schönheitsfehler" habe die Resolution 1199 vom 23.September beseitigt.Darin werden die Menschenrechtsverletzungen unter Verweis auf Kapitel VII der UN-Charta als "Bedrohung von Frieden und Sicherheit in der Region" verurteilt.Auf dieser Grundlage habe die NATO Serbien im Oktober mit Luftangriffen gedroht - obwohl weiter die Ermächtigung der UN dazu fehlte.Präsident Milosevic zog zunächst seine Truppen aus dem Kosovo zurück.Diesen Erfolg habe der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1203 "begrüßt und unterstützt" - und damit, so Simma, indirekt den angedrohten Gebrauch militärischer Gewalt gegen Serbien gebilligt.

Als UN-Generalsekretär Kofi Annan die NATO besuchte, habe er erklärt, für die angedrohte Intervention sei "normalerweise" eine Autorisierung erforderlich - was als Tolerierung einer Ausnahme verstanden werden konnte.Später seien die mit militärischem Druck verbundenen Bemühungen der Balkan-Kontaktgruppe in einem "presidential statement" des UN-Sicherheitsrats begrüßt worden.Eine solche Präsidialerklärung kommt laut Simma nur bei Konsens zustande.Alles in allem habe sich die NATO bei ihrer Intervention sehr weitgehend an die Vorgaben der UN gehalten.Die Rückendeckung der UN habe nur bis zu der Grenze gehen können, ab der China oder Rußland ihr Veto eingelegt hätten.

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