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Keine Erholung: Tschernobyls Kinder dürfen nicht verreisen

Zeigt der Despot in Minsk wieder einmal sein böses Gesicht? Daran haben die deutschen Helfer keinen Zweifel, die jedes Jahr Erholungsaufenthalte für Kinder aus der strahlenverseuchten Region Tschernobyl organisieren.

In diesen Wochen nun mussten alle Reisen abgesagt werden. Überraschend angeordnet hat dies Präsident Aleksander Lukaschenko in seinem Erlass 555.

Der Erlass hat einen konkreten Hintergrund. „Es ist immer wieder vorgekommen, dass Kinder nicht rechtzeitig aus diesen Erholungsurlauben zurückgekommen sind“, heißt es aus dem Außenministerium in Minsk. Der Präsident habe auf Vorfälle in Italien und den USA reagiert, wo sich Kinder zuletzt im August vergangenen Jahres weigerten, nach Weißrussland zurückzukehren. Von dubiosen „Blitz-Adoptionen“ ist sogar die Rede. Lukaschenko fordert nun von den Gastländern Garantien, dass sie dafür Sorge tragen, dass dies nicht mehr vorkommt. Dazu sollen mit jedem Land bilaterale Verträge unterzeichnet werden.

Berlin will im Interesse der Strahlenopfer schnell einen Vertrag aushandeln

Für die deutschen Organisationen, die jedes Jahr Aufenthalte für rund 8000 Kinder organisieren, ist dies ein Schlag ins Gesicht. Sie legen sehr viel Wert auf unbürokratische Hilfe und befürchten nun, in die Mühlen der Politik zu geraten. Die bundesweite Arbeitsgemeinschaft „Kinder von Tschernobyl in Deutschland“ warnt vor einer drohenden „Verstaatlichung“. Sie hegt den Verdacht, dass auf diese Weise etwa Proteste gegen den geplanten Bau eines Kernkraftwerkes in Weißrussland bereits im Vorfeld unterdrückt werden sollen.

Von Seiten der Bundesregierung heißt es, dass man mit Minsk in Verhandlungen stehe und das gewünschte Papier zum Wohle der Kinder so schnell wie möglich unterzeichnen wolle. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Fraktion der Grünen wurde noch versichert, dies geschehe, „ohne hierbei die Absicht zu verfolgen, das zivilgesellschaftliche Engagement zu reglementieren“.

Lukaschenko zeigte zumindest kurzfristig Mitleid mit den Kindern. Kurz vor Weihnachten setzte er mit dem Erlass 688 den Erlass 555 bis Mitte Januar außer Kraft. So konnten einige Kinder wenigstens über die Festtage zu ihren Gasteltern ins Ausland fahren. Das nützte allerdings einer Gruppe wenig, die sich in Rosenthal in der Sächsischen Schweiz aufhielt. Die Kinder waren Anfang des Jahres gekommen und wollten sich bis zum 1. Februar in Deutschland erholen. „Wir hatten gehofft, dass sie mit einer Ausnahmegenehmigung doch noch länger bleiben können“, sagte der Koordinator der Hilfsaktion, Pfarrer Günter Hartmann. Doch alles Bitten half nichts, nach nicht einmal zwei Wochen mussten die Kinder ihre Koffer packen. 

Knut Krohn

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