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Ist die Kindergrundsicherung nur eine Bürokratiereform oder braucht der Kampf gegen Kinderarmut auch neues Geld? Darum dreht sich der Streit.

© Foto: dpa/picture alliance/Jens Kalaene

Verbündete zweifeln an der Kanzlerpartei: Wie die Debatte um die Kindergrundsicherung die SPD unter Druck setzt

In den Streit um die Kosten der Reform zwischen Grünen und FDP wollte sich die Kanzlerpartei nicht hineinziehen lassen. Doch damit weckt sie auch Misstrauen.

Von Hans Monath

Eigentlich hatte sich die SPD nicht beteiligen wollen am Streit zwischen Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) um die Summe von zwölf Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung, welche die Grünen-Politikerin fordert. Doch dann sagte SPD-Chefin Saskia Esken am Dienstag einen Satz, der die politische Schlachtordnung veränderte.

„Ich gehe davon aus, dass wir den Betrag von zwölf Milliarden Euro auch brauchen werden“, erklärte die SPD-Politikerin im „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF, und schien damit Partei für die Familienministerin zu ergreifen. Dabei halten die Sozialdemokraten Paus’ Forderung für keinen klugen Schachzug und die von ihr genannte Summe nicht für sachlich begründet.

Prompt reagierten auch die Liberalen, die sich bis dahin vor allem an den Grünen abgearbeitet hatten. „Die FDP rechnet nicht mit Mondzahlen. Saskia Esken redet über unseriöse Zahlen“, polterte Vizefraktionschef Christoph Meyer.

Nahm im Kostenstreit um die Kindergrundsicherung Partei für die Familienministerin: SPD-Chefin Saskia Esken.

© dpa / dpa/Wolfgang Kumm

Die Parteichefin war offenbar ausgerutscht beim Versuch, die SPD einerseits als entschiedene Vorkämpferin gegen Kinderarmut in Deutschland zu positionieren, sich andererseits nicht in den Clinch zwischen FDP und Grünen um die Schlusskosten der Reform hineinziehen zu lassen, den die Sozialdemokraten für wenig zielführend halten.

Die eigentliche Botschaft Eskens ging denn auch unter. Das wichtigste Ziel sei, so sagte sie in dem gleichen Interview, dass die Familien „einfach“ oder gar „automatisch“ ihnen zustehende Leistungen bekämen, vor denen heute bürokratische Hürden stünden.

Mit anderen Worten: Vorrang habe nicht die Endsumme, sondern die Zusammenlegung der Transfers wie Kinderzuschlag, Kindergeld und Leistungen aus dem Teilhabegesetz, um beim Verteilen der staatlichen Mittel besser zu werden.

DGB hatte den Kanzler zum Eingreifen aufgefordert

Eskens Versicherung, wonach das Projekt Grundsicherung für die SPD „oberste Priorität“ genieße, ist offensichtlich nötig geworden. Denn der Versuch, sich nicht in den Kostenstreit hineinziehen zu lassen, weckte bei traditionellen Verbündeten wie den Gewerkschaften Skepsis, ob die Partei noch zu der neuen Leistung steht.

Zwar hatte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert Lindner für seine harte Haltung umgehend kritisiert. SPD-Fraktionsvize Sönke Rix und Wiebke Esdar, Sprecherin der Parlamentarischen Linken (PL), machten klar, dass der Kampf gegen Kinderarmut ohne mehr Geld nicht zu gewinnen sein werde.

Doch da hatte sich beim DGB schon ein anderer Eindruck festgesetzt. Der DGB forderte den Kanzler zum Eingreifen auf. Scholz und seine Partei müssten „zu diesem wichtigsten sozialen Projekt in dieser Wahlperiode klar Farbe bekennen“, sagte das Vorstandsmitglied Anja Piel der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“.

Rund zwei Millionen in Armut lebende Kinder in Deutschland haben von der Kindergelderhöhung keinen einzigen Cent.

Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes

Auch der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, nahm die SPD in die Pflicht. Sie müsse ihre Versprechungen wahr machen und sich „an die Spitze der Befürworter:innen der Kindergrundsicherung stellen und dafür eintreten, dass diese auch eine Höhe hat, die für alle betroffenen Familien armutsfest ist“, sagte Hilgers dem Tagesspiegel.

Den Hinweis, wonach die Ampel gerade erst die größte Kindergelderhöhung seit Jahrzehnten durchgesetzt hat, wollte der Kinderschutzpräsident nicht gelten lassen.

Größte Kindergelderhöhung seit Jahrzehnten

Der Zuwachs bleibe hinter der spezifischen Inflationsrate für arme Familien deutlich zurück und werde zudem mit dem Bürgergeld verrechnet: „Rund zwei Millionen in Armut lebende Kinder in Deutschland haben von der Kindergelderhöhung keinen einzigen Cent.“

Auf die Frage, ob der Kanzler noch zur Grundsicherung stehe, hatte Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag gesagt, dies könne sie „mit einem klaren Ja“ beantworten. Zumindest beim Kinderschutzbund kam die Botschaft an. Hilgers: „Ich freue mich, dass sich Hoffmann und Esken deutlich zur Kindergrundsicherung bekannt haben.“

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