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Die sogenannte Kindergrundsicherung ist eines der größten sozialpolitischen Vorhaben der Ampel.

© dpa/Peter Kneffel

„Kinder haben auch in dieser Regierung keine Lobby“ : Kritik an Schweigen der Ampel zur Kindergrundsicherung

30 Stunden hat der Koalitionsausschuss getagt. Am Dienstagabend äußerten sich die Parteispitzen schließlich.

Die Einführung der Kindergrundsicherung, mit der bestehende familienpolitische Leistungen zusammengeführt und ausgebaut werden sollen, gilt als eines der größten sozialpolitischen Vorhaben der Ampelkoalition. Umso bemerkenswerter, dass nach einem langen und zähen Koalitionsausschuss kein Wort über die weitreichende Reform verloren wurde. Sozialverbände kritisieren das Schweigen.  

Nachdem die letzten Wochen geprägt waren von leeren Ankündigungen und einem unwürdigen Feilschen um substanzlose Zahlen, fällt die Kindergrundsicherung nun offenbar völlig unter den Verhandlungstisch.

Heidi Reichinnek, jugend- und familienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken.

„Die ,Ampel’ vertagt die Zukunft der Kinder auf den Sankt Nimmerleinstag“, erklärte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers am Mittwoch in Berlin. Er wirft vor allem der SPD vor, sich nicht hinreichend für das Projekt einzusetzen. „Man gewinnt bei den öffentlichen Debatten den Eindruck, als sei das eine Idee der Grünen.“

Auch die Opposition zeigt sich konsterniert. „30 Stunden Verhandlungsmarathon und kein Wort zu Kindern und Familien. Nachdem die letzten Wochen geprägt waren von leeren Ankündigungen und einem unwürdigen Feilschen um substanzlose Zahlen, fällt die Kindergrundsicherung nun offenbar völlig unter den Verhandlungstisch“, sagte Heidi Reichinnek, die jugend- und familienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken dem Tagesspiegel.

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Das eigentlich größte sozialpolitische Vorhaben der Regierung scheine still und heimlich beerdigt zu werden, mutmaßt Reichinnek. „Kinder haben auch in dieser Regierung keine Lobby - egal ob bei der Kindergrundsicherung, dem drohenden Kita-Kollaps oder der Unterstützung nach der Pandemie.“

Es sei enttäuschend und ein fatales Zeichen, dass in einer solchen Mammutsitzung offenbar nicht genug Zeit für ein angeblich so wichtiges Zukunftsprojekt der Ampel-Koalition gewesen sei, sagte Verena Bentele, die Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland dem Tagesspiegel. 

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„Die Kindergrundsicherung darf nicht wegen tagelanger Diskussionen um den Autobahnausbau und alte Öl- und Gasheizungen auf der Strecke bleiben. Wir fordern, dass die Ampel-Parteien die Beseitigung der Kinderarmut endlich als wichtiges Projekt einstufen.“ Wer Autobahnen saniere und dafür die Zukunft armer Kinder verliere, verspiele die Zukunft vieler Menschen. Für eine echte Kindergrundsicherung müsse der Staat ausreichend finanzielle Mittel bereitstellen.

Sozialverbände äußern scharfe Kritik

Ähnlicher Ansicht ist auch Michaela Engelmeier, die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD). Sie findet, dass das Thema Kindergrundsicherung in Teilen der Koalition stiefmütterlich behandelt werde. „Wir werden nicht hinnehmen, dass arme Kinder von einigen Akteuren in der Ampel weiterhin auf das Abstellgleis gestellt werden“, sagte sie dem Tagesspiegel. Die aktuellen Signale nach dem Koalitionsausschuss seien die völlig falschen.

„Es darf kein ‚entweder oder‘ geben: die großen Zukunftsprojekte – beim Klima und in der Sozialpolitik – müssen jetzt umgesetzt werden.“ Das gehe nur mit ausreichend Geld. „Wo kein Geld ist, muss welches beschafft werden – und zwar durch kluge Umverteilung. Das Bundesfinanzministerium muss da jetzt liefern.“

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, sagte dem Tagesspiegel, dass er „unheimlich enttäuscht“ darüber sei, dass es kein Statement zu den sozialen Vorhaben der Ampel gegeben habe. Schneider habe fest damit gerechnet, dass nicht nur über Autobahnen debattiert werde.

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Der „fatale Verzicht“ auf Steuererhöhungen bedeute eine Blaupause für alles, was soziale Projekte betreffe. „Die Koalition hat sich eine selbst herbeigeführte Finanzklemme auferlegt, in dem der Bundesfinanzminister sich Steuererhöhungen verweigert und unerbittlich an der Schuldenbremse festhält.“ Eine auskömmliche Pflege werde nicht nur mit Beiträgen zu stemmen sein, ebenso wenig wie die Unterstützung zwei Millionen armer Kinder in Deutschland. „Wie wir es mit den Steuereinnahmen halten, das ist doch die Gretchen-Frage.“

Die FDP sei an der Umsetzung der Kindergrundsicherung nicht interessiert. „Darüber hilft auch deren Digitalportal nicht hinweg, das ist doch mehr familienpolitisches Schickimicki.“ Auch die SPD sei nicht mehr Feuer und Flamme, seit sie ihr Herzensprojekt, das Bürgergeld durch habe. „Wir Sozialverbände hoffen nun auf die Grünen und setzen auf den Vernunft der Koalition. Die Kindergrundsicherung darf nicht parteitaktischen Spielchen zum Opfer fallen.“

Der Bundeskanzler hat heute auf meine Nachfrage in der Regierungsbefragung bestätigt, dass die Kindergrundsicherung ein zentrales und ein gemeinsames Projekt der Regierung ist, das mit Priorität behandelt wird.

Nina Stahr, Sprecherin für Bildung und Forschung der Grünen im Bundestag.

Nina Stahr, Sprecherin für Bildung und Forschung der Grünen im Bundestag sowie Mitglied im Ausschuss für Familie, Senior:innen, Frauen und Jugend will das Schweigen zur Reform explizit nicht als Zeichen für Desinteresse verstanden wissen. „Der Bundeskanzler hat heute auf meine Nachfrage in der Regierungsbefragung bestätigt, dass die Kindergrundsicherung ein zentrales und ein gemeinsames Projekt der Regierung ist, das mit Priorität behandelt wird“, sagte Stahr dem Tagesspiegel.

„Wir Bündnisgrüne sind hier ganz klar: Die Kindergrundsicherung ist mehr als ein Digitalisierungsprojekt und mehr als eine Verwaltungsreform.“ Die Kindergrundsicherung für Kinder aus Familien ohne oder mit geringem Einkommen müsse auskömmlich finanziert sein, sodass der Beitritt im Sportverein nicht an fehlenden Turnschuhen scheitere. 

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