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Auch Scherenschleifer stärken die Demokratie in Tunesien.

© Reinhard Balzerek/IMAGO

Demokratieentwicklung: Kleine Firmen stärken die Demokratie

Zwei Schweizer Demokratieforscher überprüfen die Gründungsthese der Westerwelle-Foundation: Kleine und mittlere Unternehmen können die Entwicklung von Demokratien unterstützen.

Kleine Unternehmen dienen der Demokratisierung eines Landes. Davon war der im März verstorbene Guido Westerwelle schon immer überzeugt. Als der ehemalige Außenminister 2013 gemeinsam mit dem 1&1-Gründer Ralph Dommermuth die „Westerwelle Foundation – Stiftung für internationale Verständigung“ gründete, schrieben die beiden als Leitsatz für die Arbeit der Stiftung auf: „Wir glauben an den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Erfolg und demokratischer Teilhabe. Der Mittelstand als Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell steht für uns dabei im Mittelpunkt.“

Der FDP-Politiker hatte nach dem Arabischen Frühling seit 2011 sein Thema gefunden. Er wollte die Demokratiebewegung und die sie tragende Jugend in den arabischen Staaten unterstützen. Drei Tage vor seinem Tod eröffneten die Westerwelle Foundation und der Berliner Verein Enpact, der junge Unternehmensgründer unterstützt, gemeinsam in Tunis das „Startup-Haus“, das erste Gründerzentrum Tunesiens.

Nun wollte die Stiftung genauer wissen, ob ihre Gründungsthese sich auch wissenschaftlich belegen lässt. Gemeinsam mit der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft beauftragte die Stiftung die beiden Wissenschaftler Karima Bousbah und Daniel Kübler vom Zentrum für Demokratie Aarau in der Schweiz. Eines ihrer Projekte ist ein Demokratiebarometer, mit dem der Stand von demokratischen Entwicklungen in Ländern gemessen werden soll.

Die Schweizer Forscher stützen die Gründungsthese der kleinen Stiftung, die gerade mal fünf Leute beschäftigt. In der Studie, die dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es: „Die Resultate der empirischen Analyse zeigen einen eigenständigen und konsistenten Demokratisierungseffekt von KMUs (kleinen und mittleren Unternehmen).“ Diesen „KMU-Effekt“ sehen sie „über verschiedene Phasen der Transition von Autokratie zur Demokratie hinweg“ am Werk. Das gelte ganz besonders dann, wenn der Anteil von Mikro-Unternehmen besonders hoch sei, schreiben Bousbah und Kübler weiter.

Der Büroleiter der Westerwelle Foundation, Alexander Vogel, sieht sich bestätigt. Er sagte dem Tagesspiegel: „Wer Demokratie in der Welt verbreiten möchte, sollte die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes stärker in den Blick nehmen und Unternehmertum fördern.“ Außerdem findet Vogel, dass nur „ökonomische Perspektiven und Chancen“ die Menschen daran hindern könnten, „wegen wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit aus ihrer Heimat zu flüchten“. Die Bemühungen der deutschen Entwicklungspolitik könnten „durch die Stärkung von Unternehmen effektiver werden“, meint Vogel.

Der deutsche Autozulieferer Dräxlmaier hat in Tunesien ein Werk aufgebaut. Der deutsche Mittelstand könnte beim Aufbau von kleinen und mittleren Unternehmen in Tunesien helfen.

© Rainer Jensen/picture alliance / dpa

Die beiden Schweizer Forscher haben ihre Thesen mit drei Modellen zur Messung der Demokratie überprüft, ihrem eigenen Demokratiebarometer, dem Projekt Polity IV und dem seit den frühen 1970er Jahren existierenden Freedom- House-Index des amerikanischen Thinktanks Freedomhouse. Zudem haben sie auf eine Auswertung des amerikanischen Pew-Centers von Weltbankdaten zurückgegriffen, das das Vorhandensein von kleinen und mittleren Unternehmen für mehr als 100 Staaten ermittelt hat.

Karima Bousbah und Daniel Kübler argumentieren, dass kleine und mittlere Unternehmen „sich in einer wirtschaftlich und politisch schwächeren Position“ befänden als große Unternehmen. Diese seien oft mit autokratischen Herrschern eng verbunden. Nur so können sie arbeiten, und oft profitieren die Machthaber über Einnahmen aus dieser Wirtschaftstätigkeit – die Ölindustrie ist ein Beispiel dafür. Die KMU aber seien „für ihren wirtschaftlichen Erfolg stärker auf das Vorhandensein rechtsstaatlicher Strukturen angewiesen“, schreiben Bousbah und Kübler. Das motiviere sie zu demokratischen Forderungen. Sie haben noch etwas herausgefunden. „Der Umkehrschluss gilt nicht: Ein positiver Effekt von demokratischen Strukturen auf die Herausbildung eines mittelständischen, von KMUs geprägten Wirtschaftsmodells bestätigte sich nicht“, schreiben sie.

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