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Selbständige Stadtführer gehören zu den Kleindienstleistern, die jetzt kein Einkommen mehr haben.

© Kai-Uwe Heinrich/Tsp

Kleinstunternehmer und die Corona-Krise: Eine Nothilfe von 500 Euro für Betroffene könnte von der Hausbank ausgezahlt werden

Viele Soloselbständige haben einen totalen Verdienstausfall. Ihnen sollte der Staat jetzt unbürokratisch helfen. Ein Gastbeitrag.

Anke Hassel ist Professorin für Public Policy an der Hertie School of Governance und Christian Odendahl ist Chefökonom am Centre for European Reform

Das Leben in Deutschland kommt zum Stillstand. Alle Bereiche des öffentlichen Lebens sind geschlossen, die ArbeitnehmerInnen werden zur Heimarbeit verdonnert, Schulen und Kitas auf Notbetrieb umgeschaltet; Konferenzen, Kultur und „sozialer Konsum“ werden abgesagt, Grenzen geschlossen. In dieser Situation kommt einer Kernaufgabe des Staates ganz neue Bedeutung zu: der Rolle des Versicherers der größten Risiken wie Krankheit, Arbeitslosigkeit und Armut.

Es fallen zu viele durch das Raster

Der Staat muss beherzt, manche würden sagen radikal, eingreifen und die Menschen schützen. Den Schutz vor Krankheit hat die Regierung richtigerweise zur ersten Priorität gemacht. Unternehmen und Beschäftigte werden über leichteren Zugang zu Liquidität oder Kurzarbeitergeld aufgefangen, was dringend nötig ist. Doch es fallen zu viele durch das Raster, denen dringend geholfen werden muss.

Die Stilllegung des öffentlichen Lebens betrifft nicht nur die Unternehmen der Industrie, sondern in noch viel stärkerem Umfang den Tourismus, die Kultureinrichtungen, Gastronomie und das Veranstaltungsmanagement. In diesen Bereichen gibt es ganz besonders viele prekär Beschäftigte und Soloselbständige. Man denke an die Stadtführer, die Konferenzdolmetscher, die Würstchenverkäufer, die Reinigungskräfte in Hotels, die vielen Aushilfskräfte in Restaurants und auf Messen und natürlich die Künstler selbst.

In Deutschland gibt es etwa 2,3 Millionen Soloselbständige. Hinzu kommen nochmal knapp sieben Millionen Minijobber. Dazu gehören Rentner, die sich ihre Rente aufbessern, aber auch Studierende, die sich ihr Studium finanzieren.

Einige von ihnen verdienen sich ein Taschengeld und sind auf dieses Geld nicht angewiesen, auch weil sie Teil eines Haushalts sind, in dem ein anderer mehr verdient. Für viele kann sich der Verlust ihrer Verdienstmöglichkeit jedoch schnell zu einer Existenzkrise entwickeln. Wie kann man ihnen unbürokratisch helfen?

Kleinstdienstleister bekommen bisher keine Entschädigung

Das Infektionsschutzgesetz sieht bereits eine Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls für solche Situationen vor, in denen jemand als möglicher Träger von Viren von einem Arbeitsverbot betroffen ist. Der Verdienstausfall wird in den ersten sechs Wochen in voller Höhe gewährt und danach in der Höhe des Krankengeldes. Dies gilt jedoch nicht für mittelbar Betroffene, beispielsweise wenn ein generelles Verbot von Veranstaltungen ausgesprochen wird. E

s gilt schon gar nicht für jene, deren Verträge als Kleinstdienstleister gekündigt werden, weil Veranstaltungen nicht stattfinden. Die Ansprüche sollten auf solch mittelbar Betroffene ausgeweitet werden, also für Situationen, in denen aufgrund der behördlichen Anordnung die Dienstleistung nicht ausgeführt werden konnte.

Es gibt darüber hinaus noch viele Soloselbständige, die nicht unmittelbar von den Verboten betroffen sind, sondern von den Folgekosten von abgesagten Veranstaltungen, Messen, Konzerten und Konferenzen. Stadtführungen sind nicht verboten, können aber nicht mehr stattfinden, wenn keine Touristen mehr in die Stadt kommen. Das gleiche gilt für soloselbständige Reinigungskräfte in Hotels. Hier sollte es eine Möglichkeit der Lohnersatzleistung für kurzfristig ausgefallene Verträge und für mittelfristige Verdienstausfälle geben.

Jetzt die Versicherungsleistungen für Soloselbstständige reformieren

Eine Möglichkeit wäre, die Leistungen der freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Selbständige für bislang nicht Versicherte zu öffnen und besser auszugestalten. Die Krise wäre eine gute Gelegenheit, die nicht ausreichenden Versicherungsleistungen für Soloselbständige zu reformieren. Zumindest einen Überbrückungskredit sollte von staatlichen Stellen zur Verfügung gestellt werden.

Beide Maßnahmen haben aber einen Vorlauf, selbst wenn die Bundesregierung sie schnell umsetzen würde. Kapazitäten müssten in den Behörden geschaffen werden, um Verdienstausfälle zu berechnen und Ansprüche zu prüfen. Auch bei einer Lohnersatzleistung für Soloselbständige müsste erst ein Durchführungsverfahren geschaffen werden.

500 Euro Corona-Geld für jeden Betroffenen

Um diesen Vorlauf zu überbrücken, sollte die Regierung ein unbürokratisches Corona-Geld für jeden Bundesbürger von 500 Euro einrichten, das den Betroffenen in den nächsten Wochen finanziell unter die Arme greift. Dieses Corona-Geld sollte allen ausgezahlt werden, der oder die es in Anspruch nehmen will, um notwendige Rechnungen bezahlen zu können.

Die Auszahlung könnte von den Hausbanken der jeweiligen Menschen gegen die digitale Vorlage von zwei Dokumenten erfolgen: Personalausweis oder Reisepass sowie die Steuer-Identifikationsnummer oder Sozialversicherungsnummer. Eine zentrale, digitale Meldestelle für ausgezahlte Beträge sollte sehr schnell umzusetzen sein.

Mitnahmeeffekte durch Zuschlag zur Steuer verhindern

Um Mitnahmeeffekte zu reduzieren, könnte man den Betrag später bei der Einkommenssteuer der Steuerlast wieder zuschlagen. Dadurch entfällt für viele Besserverdienende der Anreiz, sich das Corona-Geld zu holen. Alle, die keine Einkommenssteuer zahlen –das sind Menschen mit geringem Einkommen – sollten das Corona-Geld behalten dürfen. Diese Leistung ist kein Einstieg in ein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern eine kurzfristige solidarische Leistung für die am stärksten Betroffenen einer schwerwiegenden Krise.

Das Ziel des Corona-Gelds ist Überbrückung, wie bei der „big bazooka“ für Unternehmen. Andere, zielgenauere Maßnahmen sind für einige bedürftige Bevölkerungsgruppen in der kurzen Frist nicht realistisch. Auch wenn es für alle zuletzt den Hartz-IV-Bezug als Auffangnetz gibt, würde schon die damit verbundene Bürokratie die Arbeitsagenturen gegenwärtig überfordern.

Ein solches Corona-Geld stützt auch die Wirtschaft in Bereichen, die nicht von Corona betroffen sind, wie Onlineangebote oder Lieferdienste. Es erfordert politischen Mut, das ist klar. Aber in einer Krise ist das Perfekte der Gegner des Guten: Wer hofft, man könne für alle eine zielgenaue Lösung finden, wird viele auf der Strecke lassen.

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