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© dpa

Klimapolitik: Kosten und Nutzen

Ökonomen plädieren für Ausstieg aus der bisherigen Klimapolitik – andere Forscher lehnen das ab.

Berlin - Anpassung an die Folgen der Erderwärmung statt Klimaschutz – das rät der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium der Bundesregierung für ihre künftige Klimapolitik. Auf 36 Seiten erklären die 29 Professoren des Beirats unter dem Vorsitz von Professor Clemens Fuest vom Finanzwissenschaftlichen Institut der Universität Köln die internationale Klimapolitik im Allgemeinen und die deutsche sowie europäische Strategie im Besonderen für gescheitert. Ihr Hauptargument: Wer die Treibhausgasemissionen „einseitig“ mindere und damit das Klima schütze, trage dafür allein die Kosten, den Nutzen habe aber die ganze Welt. Das mindere die Bereitschaft anderer Staaten, selbst Klimaschutzbeiträge zu leisten. Dagegen würden Investitionen in die Anpassung der eigenen Volkswirtschaft nutzen. Kosten und Nutzen blieben im Land.

Im Speziellen haben die Professoren offenbar etwas gegen das Erneuerbare- Energien-Gesetz. Sie halten es für völlig überflüssig, in neue Technologien zu investieren, die noch nicht marktfähig sind. Die Argumentation des Beirats folgt dem Muster des ehemaligen Klimaskeptikers Björn Lomborg. Der dänische Statistiker hat jahrelang den Klimawandel geleugnet, und als er das nicht mehr konnte, weil die Folgen bereits zu offensichtlich waren, argumentierte er, nun sei es eh zu spät, das Problem noch zu lösen, deshalb solle man besser in die Anpassung investieren. Lomborg wird in dem Gutachten auch direkt zitiert.

Der Vorschlag, die bisherige deutsche Klimapolitik komplett aufzugeben, ist allerdings offenbar noch nicht einmal im Finanzministerium auf große Begeisterung gestoßen. In der Pressemitteilung zur Veröffentlichung des Gutachtens, die sich gut versteckt auf der Homepage des Ministeriums befindet, heißt es: „Eine aktive Politik des Klimaschutzes ist alternativlos. Denn nur wenn es gelingt, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf ein vertretbares Maß zu begrenzen, bleiben die Auswirkungen langfristig beherrschbar.“ Und weiter heißt es: „Klimaschutz und Anpassung sind die beiden Säulen einer verantwortungsvollen Klimapolitik.“

Der Chefvolkswirt des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer, sagte dem Tagesspiegel, die Gutachter hätten offenbar „die Zeitverzögerung zwischen Ursache und Wirkung überhaupt nicht erfasst“. In dem Gutachten werde so getan, als könne das Klimaproblem irgendwann gelöst werden. Tatsächlich ist die Zeit, in der noch wirkungsvoll eingegriffen werden kann, jedoch auf höchstens noch zehn Jahre begrenzt. Die Spekulation der Gutachter, Anpassungsinvestitionen in Industrieländern könnten Entwicklungsländer bei fortschreitendem Klimawandel in ein internationales Abkommen zwingen, in dem sich alle Staaten zum Klimaschutz verpflichten, sei deshalb etwas naiv, meint Edenhofer. Denn wenn die globale Erwärmung bereits so weit fortgeschritten ist, ist es nicht mehr möglich, noch Einfluss auf das Geschehen zu nehmen. Emissionsminderungen können dann nur noch die Folgen des Klimawandels mindern, ihn aber nicht mehr in einem noch beherrschbaren Rahmen halten. Zudem argumentiert Edenhofer, die Gutachter hätten eine „viel zu pessimistische Einschätzung der Möglichkeiten internationaler Kooperation“. Werde der Klimaschutz geschickt mit anderen Fragen verbunden, etwa der Forschungskooperation, sei es durchaus möglich, Erfolg zu haben.

Die Klimaexpertin des World Wide Fund for Nature, Regine Günther, sagte: „Der Klimawandel würde wegen fehlender Klimaschutzpolitik immer drastischer ausfallen, sodass er in vielen Ländern eine Anpassung unmöglich machen würde.“ Sie hält das Gutachten für „wissenschaftlich unhaltbar“. Politisch hätte es „verheerende Konsequenzen“, sagte sie.

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