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Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte eine Reform der Erbschaftsteuer erzwungen.

© Jens Büttner/dpa

Update

Koalition findet Kompromiss: Einigung bei der Erbschaftsteuer für Firmenerben

Jahrelang haben Union und SPD gestritten, nun ist ein Kompromiss gefunden. Die Erbschaftsteuer wird neu geregelt. Nun sind alle unzufrieden.

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„Für den Augenblick“, sagt Horst Seehofer, sei er schon ganz zufrieden. Das ist nichts im Vergleich zu der Zufriedenheit, die alle anderen Beteiligten dabei empfunden haben dürften, dass die große Koalition jetzt nach jahrelangem Gezerre einen Kompromiss zur Reform der Erbschaftsteuer zustande gebracht hat. Die Änderungen, die Seehofer noch hat durchsetzen können, sind überschaubar. Aber für den CSU-Chef ist selbst die Verschiebung der Bagatellfall-Grenze von drei auf fünf Arbeitnehmer ein vorzeigbarer Erfolg, stand er doch zuletzt ganz alleine gegen alle anderen.

Der Alleingang des Horst Seehofer

Schon vor Monaten hatte sich die Koalition in Berlin – und zwar inklusive der CSU-Landesgruppe – mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf einen Kompromiss verständigt, den dann Seehofer im Alleingang wieder in Frage stellte. Am liebsten, bekräftigt er am Montag, wäre den Bayern sowieso eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer, „weil uns viele Elemente eigentlich nicht hinreichend gefallen, die da in Berlin zusammen entschieden wurden.“ Dass sich ein beträchtlicher Teil dieser Regelungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben, das die ursprüngliche Steuerreform gekippt hatte, und dass die Geltung solcher Urteile nicht an weiß-blauen Landesgrenzen endet, lässt der CSU-Chef mal großzügig beiseite. Dafür erklärt der dritte im Bunde, SPD-Chef Sigmar Gabriel, er habe keine Einwände gegen Leute, die diese Steuer als „eine indirekte private Vermögensteuer“ betrachteten. Sicherheitshalber sagt er nicht dabei, was das für Leute sein sollen.

Die Zeit drängt

Die Neuregelung der Erbschaftsteuer war nötig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht Ende 2014 die bisherigen Privilegien für Betriebserben als zu weitgehend gekippt und der Politik aufgetragen hatte, bis Ende Juni dieses Jahres eine Neureglung auf die Beine zu stellen. Daher soll der Bundestag den jetzt gefundenen Kompromiss noch in dieser Woche verabschieden, der Bundesrat vor der parlamentarischen Sommerpause am 8. Juli zustimmen. Die Grünen sind zwar gegen die Reform, die grüne Steuerexpertin Lisa Paus will aber nicht ausschließen, dass die grün mitregierten Bundesländer das Vorhaben im Bundesrat mittragen, „um eine drohende Rechtsunsicherheit für kleine und mittlere Unternehmen zu verhindern.“

Unternehmenserben bleiben oft steuerfrei

Worum geht es? Bisher müssen Unternehmenserben kaum Steuern zahlen, wenn sie den Betrieb weiterführen und die Arbeitsplätze erhalten. Nach fünf Jahren werden 85 Prozent der Erbschaftsteuer erlassen, nach sieben Jahren fällt gar keine Steuer mehr an – unabhängig vom Wert des Unternehmens. Bislang wird bei Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten aber gar nicht überprüft, ob die Arbeitsplätze wirklich weiter bestehen. Den Verfassungsrichtern war das zu lasch. Nach dem Kompromiss, den Schäuble, Gabriel und Seehofer gefunden haben, sollen künftig nur noch kleine Betrieben bis maximal fünf Mitarbeitern von der Nachweispflicht verschont bleiben. Alle anderen müssen nachweisen, dass sie den Großteil der Jobs beibehalten, um steuerfrei zu bleiben.

Muss das Privatvermögen angetastet werden?

Zudem wird bei größeren Unternehmenserbschaften ab einem Betriebswert von 26 Millionen Euro beim Erben künftig geprüft, ob eine Steuerverschonung nötig ist oder er zumindest einen Teil der Steuer zahlen kann.Der Erbe kann dabei zwischen zwei Varianten wählen: Er legt sein Privatvermögen offen, das dann bis maximal zur Hälfte belastet werden kann, oder er tut das nicht und entscheidet sich für eine geringere Verschonung. Für Familienunternehmen gibt es ein neues Privileg. Die Familienmitglieder schließen normalerweise untereinander Verträge, die einen Verkauf der Anteile nur an Verwandte und nur mit einem Abschlag zum Marktwert erlauben. Dieser Abschlag wird nun im Steuerrecht bei der Firmenbewertung berücksichtigt – bis maximal 30 Prozent.

Viel Kritik

Der Kompromiss stößt auf Kritik, und zwar auf allen Seiten. Die Familienunternehmer sehen „große Praxisprobleme“, der DIHK warnt vor Belastungen, der BDI beklagt Nachteile für den industriellen Mittelstand. "Die Erbschaftsteuer ist und bleibt ungerecht, belastet den Mittelstand über Gebühr und gefährdet Arbeits- und Ausbildungsplätze", sagt der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven. Für mehr als 80 Prozent der Mittelständler nehme die bürokratische Belastung damit noch zu. Ohoven fordert eine sofortige Abschaffung der Erbschaftsteuer. Das Ifo-Institut prangert dagegen die Ungerechtigkeit der Erbschaftsteuer an: „Auch künftig können sehr große Vermögen ganz oder fast unbesteuert übertragen werden, während nicht begünstigte und eventuell kleinere Vermögen bis zu 50 Prozent besteuert werden können“, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest.

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