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Politik: Koalitionskrach um 620-Mark-Jobs

BONN .Für 620-Mark-Jobs soll ab 1.

Von Robert Birnbaum

BONN .Für 620-Mark-Jobs soll ab 1.April 1999 statt der Pauschalsteuer eine pauschale Sozialabgabe in gleicher Höhe fällig werden.Das ist Kernpunkt eines Kompromisses der rot-grünen Regierung, den Bundeskanzler Schröder am Donnerstag im Bundestag verkündete.Um Einnahmeausfälle teilweise aufzufangen, soll der Rentenbeitrag nun erst zum 1.April 1999 sinken.Diese nicht mit den Grünen abgestimmte Verschiebung löste umgehend einen massiven Koalitionskrach aus.Die Regelung sieht weiter vor, daß die Obergrenze von 620 Mark eingefroren wird und in Ost und West gilt.Die Arbeitgeber müssen künftig zehn Prozent Krankenkassen- und zwölf Prozent Rentenbeitrag zahlen.Die Arbeitnehmer erwerben damit keine Ansprüche, es sei denn, sie stocken den Rentenbeitrag auf den normalen Satz auf.Zusätzlich besteuert werden die Mini-Jobs auch dann nicht, wenn sie Nebenjobs zu regulärer Tätigkeit sind.

Die Einigung nach tagelangem Streit innerhalb der SPD kam in einer nächtlichen Krisenrunde bei Schröder mit Finanzminister Oskar Lafontaine und Sozialminister Walter Riester zustande.Meldepflichten und andere Maßnahmen sollen Mißbrauch durch die Annahme mehrerer Mini-Jobs verhindern.Schröder sprach von einer "Lösung, die sich sehen lassen kann".Er räumte aber verfassungsrechtliche Probleme in der Steuerfrage ein.Die SPD-Fraktion beriet am Abend über den neuen Vorschlag.

Unklar blieb zunächst, wie stark die Neuregelung den Bundeshaushalt zusätzlich belastet.Der Ausfall der Pauschalsteuer kostet den Finanzminister 4,6 Milliarden Mark, von denen nur ein Teil indirekt über die Entlastung der Rentenkasse wieder hereinkommt.Um die Ausfälle in überschaubaren Grenzen zu halten, soll nach der Einigung in der SPD-Spitze der Rentenbeitrag erst zum 1.April um 0,8 Punkte auf 19,5 Prozent sinken.Mit der Neuregelung soll neben der Rücknahme der Rentenreform auch die Rücknahme der Arzneimittel-Zuzahlung finanziert werden.

Die Verschiebung des Rententermins löste bei den Grünen massive Verärgerung aus.Nach Angaben aus der Fraktion wurde der Koalitionspartner von Schröders Ankündigung überrascht, weil dies am Morgen noch nicht Bestandteil des SPD-internen Kompromisses gewesen sei.Die Fraktionsspitze machte der SPD-Führung noch während der Bundestagsdebatte klar, daß die Grünen dies nicht mittragen würden.Hintergrund ist die erklärte Forderung der Grünen, daß das Ökosteuer-Aufkommen nur zur Senkung von Sozialbeiträgen verwendet werden darf und nicht zur Sanierung des Haushalts.Würde die Ökosteuer wie bisher geplant zum 1.Januar eingeführt, der Rentenbeitrag aber erst drei Monate später, könnte Lafontaine mit den Einnahmen dieses Vierteljahres den laufenden Haushalt aufbessern.

Kritik äußerte auch der SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler.Der Kompromiß sei "äußerst unbefriedigend", weil er das arbeitsmarktpolitische Problem der Aufspaltung regulärer Arbeitsverhältnisse in Mini-Jobs nicht löse.Die Opposition im Bundestag sprach in der Aktuellen Stunde von Buchungstricks und reinem Abkassieren.Der CDU-Politiker Hartmut Schauerte sagte, mit diesem Modell werde der Mißbrauch nicht verhindert.Der FDP-Politiker Rainer Brüderle nannte die geplante Neuregelung "mittelstandsfeindlich" und forderte die rot-grüne Koalition auf, sich für die "Ängste", die sie ausgelöst habe, zu entschuldigen.

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