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Mindestlohn: Koalitionsparteien finden keine einheitliche Position

In der Regierung schwelt der Streit zu der möglichen Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns weiter. Die gemeinsame Unterschriftenaktion von CDA und SPD zeigt Risse innerhalb der Union auf. Auch die SPD kämpft um eine einheitliche Position.

Berlin - Unmittelbar vor einer hochrangig besetzten Koalitionsrunde in Berlin haben sich die Kontrahenten im Dauerstreit um die Einführung von Mindestlöhnen nicht angenähert. Vielmehr sorgten Unterschriftenaktionen der SPD und des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA für Empörung bei führenden Unionspolitikern und scharfe Erwiderungen bei der SPD.

Für das am Abend im Kanzleramt geplante dritte Treffen unter Leitung von Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) sowie Arbeitsminister und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) war Vertraulichkeit vereinbart. Wegen der festgefahrenen Fronten sei mit Fortschritten nicht zu rechnen, hieß es in Regierungskreisen.

Müntefering hofft, bis Ende April eine Lösung zu erzielen. "Ich will Mindestlöhne, das Verbot sittenwidriger Löhne und die Entgeltschranke. Da steckt noch viel Arbeit drin", sagte der Vizekanzler der "Passauer Neuen Presse". Außerdem sollten die Hinzuverdienstregeln geändert werden. In Europa gibt es Mindestlohn-Regelungen in 20 von 27 Staaten.

Die CSU-Landesgruppe im Bundestag rechnet nicht mit einer schnellen Einigung. Es werde sicherlich weder den von der SPD geforderten gesetzlichen Mindestlohn noch eine Aufblähung des Entsendegesetzes geben, sagte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer. Er gehe aber davon aus, dass sich beide Seiten auf einen Kompromiss mit einer tarifrechtlichen Lösung verständigen können.

Verstimmung in der Koalition

Unterdessen sorgten die Unterschriftenaktionen von SPD und CDA für Verstimmung in der Koalition. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla distanzierte sich von der Aktion der eigenen CDU-Gewerkschafter und kritisierte zugleich scharf die gemeinsame Kampagne von SPD und den Gewerkschaftsvorsitzenden. "Es ist doch peinlich, dass eine Volkspartei wie die SPD eine solche Unterschriftenaktion macht und zu den Erstunterzeichnern zählen (Gregor) Gysi und (Oskar) Lafontaine." Der CDU-Generalsekretär: "Wer solche Geister ruft in der SPD, der wird sie auch nicht mehr los."

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil konterte: "Pofallas Reaktion zeigt, dass der Druck in Sachen Mindestlohn notwendig und richtig ist". Müntefering begrüßte die Unterschriftenkampagne: "Das ist legitime Werbung für einen wichtigen Politikbereich."

Söder: "SPD hat die Hosen voll"

CSU-Generalsekretär Markus Söder warnte die Unionsparteien, beim Thema Mindestlohn der SPD zu weit entgegenzukommen. Die Unterschriftenaktion der SPD griff er in der "Financial Times Deutschland" scharf an: "Die SPD macht das nur, weil sie die Hosen voll hat und Angst vor der Linkspartei."

Heil verwies dagegen darauf, dass auch CDU-Mitglieder mit der DGB-Vizevorsitzenden Ingrid Sehrbrock an der Spitze für Mindestlöhne plädierten - und ebenfalls per Unterschriftenaktion dafür werben. Sehrbrock ist auch CDA-Vizechefin. Heil sagte: "Es ist ein Skandal, wenn Menschen, die hart und Vollzeit arbeiten, von ihrer Arbeit nicht mehr leben können. Vor dieser Lebenswirklichkeit werden auch die anderen Volksparteien nicht ihre Augen verschließen können."

Bütikofer sieht parlamentarische Mehrheit

Die Linksfraktion, die am Vortag geschlossen die Initiative von SPD und DGB-Chefs unterstützt hatte, schickte die Liste mit den Unterschriften aller Abgeordneten an SPD-Parteichef Kurt Beck. Den Text des SPD-Aufrufs will die Linksfraktion "möglichst zeitnah zum 1. Mai" im Bundestag zur Abstimmung stellen. Der Bundesvorsitzende der Grünen, Reinhard Bütikofer, sagte: "Die parlamentarische Mehrheit für die Einführung von verlässlichen Mindestlohnregelungen ist gegeben, aber die SPD nutzt sie nicht. Sie sucht Profilbildung statt Fortschritt."

Auf das mögliche Abstimmungsverhalten der SPD-Abgeordneten angesprochen, sagte ihr Parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer Olaf Scholz: "Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass SPD und Union im Parlament nicht gegeneinander votieren dürfen." Das vertraglich vereinbarte Regierungshandeln sei jedoch die eine Seite, die politische Willensbildung und weitere Programmentwicklung der Parteien die andere. (tso/dpa)

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