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Ralf Stegner bei seiner Rede auf dem SPD-Parteitag.

© Oliver Berg/AFP

Koalitionsverhandlungen: Der Leidens-Genosse der SPD

Ralf Stegner verkörpert die Große Koalition wie kaum ein anderer Sozialdemokrat. Beachtung bekommt der stellvertretende Vorsitzende der SPD dafür wenig.

Mit ihrer energiegeladenen Rede bekam Andrea Nahles beim SPD-Parteitag in Bonn die größte Aufmerksamkeit. Über die Ansprache ihres Genossen Ralf Stegner sprach dagegen kaum einer. Und wenn der Name des stellvertretenden Parteivorsitzenden in den letzten Tagen genannt wurde, dann oft in einem negativen Zusammenhang. Mit der Forderung, das Sondierungspapier nachzubessern, habe er die Verhandlungserfolge seiner Partei schlechtgeredet. Schlimmer noch: Ausgerechnet ihm, dem Parteilinken, hätte die Union eine Obergrenze für Flüchtlinge abringen können. Das sieht Stegner natürlich anders.  

„Glaubt ihr ernsthaft so einem Typen wie Scheuer mehr als mir?“, rief der Oppositionsführer im schleswig-holsteinischen Landtag den Delegierten zu. Solche Typen, dazu zählen für Stegner auch die Dobrindts, die Spahns und die Lindners. „Wollen wir denen das Land überlassen, dass die so eine Regierung wie in Österreich machen?“ Der sich anbahnende personelle Umbruch in der Union dürfte für Stegner Motivation genug sein, nicht in die Opposition gehen zu wollen.

Mit seinem provokanten Auftreten und den derben Sprüchen erfüllt Stegner eine wichtige Funktion innerhalb der SPD. Er ist der Punchingball, an dem sich ihre Kritiker abarbeiten. Immer drauf auf den angeblich so miesepetrigen und hochnäsigen Stegner. Für viele ein Symbol des Niedergangs der deutschen Sozialdemokratie. Im vergangenen Jahr verlor die schleswig-holsteinische SPD, deren Vorsitzender Stegner ist, die Landtagswahl. Rücktrittsforderungen aus den eigenen Reihen wurden laut. Vier Monate später dann die historischen 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl. Am Wochenende warb Stegner für die Aufnahme der Koalitionsverhandlungen, aber das immerhin erfolgreich. 

In alter Arbeitertradition verlangte er von den Delegierten, nicht zu jammern, sondern die Ärmel hochzukrempeln. Dafür gab es verhaltenen Applaus, zu Unrecht. Denn es hätte keinen authentischeren Fürsprecher der

Großen Koalition geben können. Sich aufopfern und am Ende wenig dafür bekommen – das ist nicht nur das Schicksal der SPD. 

Paul Schwenn

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