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Politik: Kohlendioxid-Speichern soll Ländersache werden

Bundesregierung will nur einen Rahmen vorgeben

Berlin - In der kommenden Woche oder der ersten März-Woche will die Regierung einen neuen Versuch machen, die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid (CO2) zu regeln. Nach Auskunft des Bundesumweltministeriums stehen die „Ressortabstimmung“ sowie „Sondierungsgespräche zwischen den Ressorts und Ländern kurz vor dem Abschluss“.

Monatelang hatte sich in der Frage nichts mehr bewegt, weil es eigentlich nur in einem Bundesland größeres Interesse daran gibt, die Abscheidung und unterirdische Lagerung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) auch anzuwenden, nämlich in Brandenburg. Dagegen wehren sich Niedersachsen und Schleswig- Holstein vehement dagegen, dass in ihren Bundesländern CO2-Lager eingerichtet werden könnten.

In Brandenburg betreibt der Energiekonzern Vattenfall seit 2008 eine erste Versuchsanlage zur Abscheidung von CO2. Bis 2015 soll eine großtechnische Versuchsanlage gebaut sein, für die es großzügige Zuschüsse von der Europäischen Union geben soll. Genau deshalb drängt die Zeit für Vattenfall. Zudem verlangt die Europäische Union eine Umsetzung der CCS-Richtlinie noch 2011. Mit CCS soll erreicht werden, dass CO2 nicht in die Atmosphäre gelangt und so zum Klimawandel beiträgt. Vattenfall hofft, dass CCS es möglich macht, auch in Zukunft noch Braunkohlekraftwerke zu betreiben.

Allerdings gibt es eine Vielzahl von ungelösten Schwierigkeiten. Zum einen verbraucht die CO2-Abscheidung viel Energie, es wird also mehr Kohle gebraucht, um die gleiche Menge Strom zu erzeugen. Die Technologie funktioniert noch nicht im großtechnischen Maßstab und trotz einer Vielzahl von Versuchen weltweit ist unklar, ob sie bis 2020 tatsächlich zur Verfügung steht. Wirtschaftlich interessant wird CCS erst, wenn eine Tonne CO2 im europäischen Emissionshandel mindestens 30 Euro kostet, derzeit liegt der Preis zwischen 14 und 15 Euro. Offen ist zudem, ob es genügend geeignete Lagerstätten für das CO2 gibt, die auch dicht sind. Nach Einschätzung der Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe (BGR) muss eine Lagerstätte das Gas mindestens 10 000 Jahre zurückhalten, damit es nicht zu gegenläufigen Klimaeffekten kommt und damit Menschen, Tiere und Pflanzen nicht gefährdet werden. Nach Einschätzung der BGR eignen sich frühere Erdgaslagerstätten besonders gut für die Lagerung von CO2. In Deutschland liege das Speicherpotenzial etwa bei 1,75 Milliarden Tonnen, das von ausgebeuteten Erdöllagerstätten dagegen nur bei etwa 130 Millionen Tonnen.

Als weitere Variante gelten tiefe salzwasserführende Gesteinsschichten. Ihr Speicherpotenzial schätzt die BGR auf rund 20 Milliarden Tonnen CO2. Derzeit stößt Deutschland rund 850 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr aus. Pro Jahr rechnet die BGR mit einem Speicherbedarf von 300 bis 350 Millionen Tonnen CO2. Grob geschätzt würde die Speicherkapazität nach dieser Rechnung etwa 60 Jahre lang ausreichen. Das gilt allerdings nur dann, wenn alle womöglich geeigneten Speicher auch genutzt werden können. Am Wochenende hat Greenpeace eine Karte mit 408 möglichen Speichern veröffentlicht, die die BGR nicht hatte herausgeben wollen. Greenpeace musste sich die Informationen über das Umweltinformationsgesetz erst erklagen, woraufhin die BGR die Veröffentlichung der Informationen zu verhindern versuchte, in dem sie Urheberschutz für die Liste behauptete. Die meisten und ergiebigsten Speicher liegen im Norden Deutschlands, vor allem unter dem Wattenmeer. Vielleicht ist das der Grund, warum die BGR die Liste unter Verschluss halten wollte, denn in Niedersachsen und Schleswig-Holstein kämpfen nicht nur Bürgerinitiativen gegen CCS, sondern auch die Landesregierungen.

Es ist der dritte Anlauf, ein Gesetz vorzulegen. Der erste Versuch ist schon in der großen Koalition gescheitert. Im vergangenen Jahr machten sich Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erneut ans Werk. Sie verzichteten auf eine umfassende Regelung für die neue Technologie. Sie wollten lediglich die geplanten Forschungs- und Versuchsvorhaben rechtlich regeln. Doch Niedersachsen und Schleswig-Holstein verlangten eine Ausstiegsklausel für ihre Länder, also die Möglichkeit, das Gesetz in ihren Ländern außer Kraft zu setzen. Verfassungsrechtlich ist das ziemlich kompliziert und hätte zudem einen Präzedenzfall geschaffen, den sich die Regierung nicht leisten wollte. In der neuen Formulierung, die offenbar aus Niedersachsen stammt, heißt es nun: „Die Länder können durch Landesgesetz die Gebiete bestimmen, in denen die Erprobung und Demonstration der dauerhaften Speicherung zulässig ist.“ Mit anderen Worten, wer kein Gesetz erlässt, muss CCS nicht zulassen. Damit müssen Brandenburg und Sachsen-Anhalt, die sich gerne hinter einem Bundesgesetz versteckt hätten, selbst Gesetze erlassen, um CO2-Endlager zuzulassen. Das Rahmengesetz des Bundes soll bis 2017 gelten und pro Lagerstätte nicht mehr als die Speicherung von drei Millionen Tonnen CO2 im Jahr ermöglichen.

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