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Barbara John, Tagesspiegel-Kolumnistin und frühere Ausländer-Beauftragte des Berliner Senats.

© dpa

Kolumne "Ein Zwischenruf": Auch Pegida hat eine demokratische Lizenz

Unsere Kolumnistin, die langjährige Ausländerbeauftragte der Stadt Berlin, Barbara John, erklärt, warum es sein Gutes hat, dass es Pegida gibt.

Die Bürger in Deutschland streiten sich jetzt öffentlich. Das ist ein Novum, denn Streit schien bisher ein Vorrecht der Parteien zu sein. Obwohl der Ideenstreit zur Demokratie gehört, ärgert der parteipolitische Dauerclinch viele Wähler. Doch nun tragen sie selbst die Kontroversen auf die Straße bei den „Gida Spaziergängen“ und den Kontra-Demos, und zwar mit Intensität und Ausdauer. Was bedeutet es für unsere Demokratie, wenn Menschen in der großen oder auch kleinen Öffentlichkeit (Vereine) plötzlich aneinander geraten über so heiße Themen wie Einwanderung, Islam und Naziparolen?

In der pluralistischen Gesellschaft darf jeder mitreden

Mitreden und Mitbestimmen wollen, spielen da gewiss eine Rolle, aber auch mangelndes Vertrauen in die politische Klasse. Es mag unbequem sein für Politiker, wenn sie es plötzlich mit mündigen Staatsbürgern zu tun haben. Aber ist deren Meinungsbildung wirklich anders als die der Politiker? Hier wie dort steht die falsche Meinung neben der richtigen, die aufrichtige neben der verlogenen, die oberflächliche neben der sachkundigen. Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt sind die Grundlagen der offenen Gesellschaft. Und genau diesen Pluralismus erleben wir jetzt in der Öffentlichkeit.

Pegida ist Teil des Wegs zu politischen Ergebnissen

Aber strittige Meinungen sind nur ein Weg, kein politisches Ergebnis. Das aber wird dringend gebraucht, um miteinander klar zu kommen in der stetig wachsenden Einwanderungsgesellschaft in Deutschland mit ihren unvermeidlichen, doch lösbaren Konflikten. Mit dem Konzept einer geschlossenen Gesellschaft – national, kulturell, religiös –, wie „Pegida“ es vertritt, geht das nicht. Dass sie es öffentlich vertreten, ist geschenkt. Niemand bestreitet ihre demokratische Lizenz, politisch falsch zu liegen, wie Vizekanzler Gabriel kürzlich befürchtete. Da irrt er. Sie sind Player in einer pluralistischen Gesellschaft, wie alle anderen auch, aber ihr Weltbild ist von vorgestern. Wozu sie gut sind, ist, Widerspruch zu erzeugen und zu äußern. Das ist gelungen. Doch es reicht bei Weitem nicht. Die Einwanderungsgesellschaft muss noch viel überzeugter und breiter verteidigt werden, sonst verliert sie an Kraft.

Darauf kommt es jetzt an, denn auch für unser Land gilt, dass es nicht besser sein kann als seine Staatsbürger.

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