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Bundespräsident Christian Wulff und seine Frau Bettina vor dem abendlich beleuchteten Schloss Bellevue.

© dpa

Kommentar: Die sommerliche Leichtigkeit des Christian Wulff

Mit sommerlicher Leichtigkeit hat Christian Wulff das Sommerfest im Schloss Bellevue eröffnet. Dieselbe Leichtigkeit schien auch in seiner ersten Rede auf. Das wird ihn vielen Menschen sympathisch machen. Doch es birgt auch Gefahren.

Von Antje Sirleschtov

Unbequem wolle er sein, das hatte Horst Köhler in seiner ersten Rede vor dem Bundestag angekündigt. Sechs Jahre ist das her, und seit er vor vier Wochen das höchste Staatsamt über Nacht hingeschmissen hat, ahnte man: So populär dieser Präsident im Volke auch war, bleiben wird von ihm vor allem eines: Zum Schluss, da hat er es sich selbst ziemlich bequem gemacht.

Auch Christian Wulff hat seinen Amtseid mit einer Botschaft verbunden. Er will nicht unbequem sein. Wulff will ein Präsident werden, der die Menschen umarmt, der Ost und West, Alt und Jung, „Yilmaz und Krause“, wie er sagt, verbinden will. Einer, dem die Vielfalt eine Freude ist, der in erster Linie, ja ausschließlich, Möglichkeiten und Chancen in ihr sieht. „Unsere bunte Republik“ nennt der neue Bundespräsident das Land, aus dem er kommt und an dessen Spitze er jetzt getreten ist. Ein „fröhliches“ Land. Und man ahnt: Auch Christian Wulff werden die Menschen mit offenen Armen aufnehmen. Mit seiner jungen Frau, den Kindern einer modernen Patchworkfamilie und natürlich mit seinem gewinnenden Lächeln. Dieser Mann will niemandem wehtun.

Nicht nur eine neue Generation zieht also, im einundsechzigsten Jahr der Republik, ins Schloss Bellevue ein. Es ist auch eine Leichtigkeit, die Besitz ergreift von diesem schweren Amt. Man kann das als wohltuend empfinden in diesen Zeiten der finanzpolitischen Unruhen, der globalen Unsicherheiten und des innenpolitischen Siechtums. Endlich mal ein bisschen Glanz in Berlin.

Aber es lauert eine Bedrohung darin. Es ist die Bedrohung der Leichtfertigkeit. Sie entsteht rasch, wenn der Anspruch auf Gestaltung, der Politik erst Legitimität verleiht und der auch vor dem Amt des deutschen Staatsoberhauptes nicht enden darf, uneingelöst bleibt. Die Väter des Grundgesetzes haben dem Präsidenten die Überparteilichkeit auferlegt und ihm das Wort geboten. Er soll das Land repräsentieren, nach innen und außen. Allerdings haben sie das mit einem Auftrag verbunden. Sie wollten, dass sich sein Amtsinhaber, unbefangen vom alltäglichen politischen Geschäft, mit dem Zustand der Gesellschaft auseinandersetzen und deren gedeihliche Entwicklung befördern kann.

Christian Wulff hat diesen Anspruch in seiner ersten Rede vor dem Plenum kaum zu erkennen gegeben. Andere vor ihm haben das in diesem ersten Moment auch nicht getan und sind in der Rückschau doch geachtete Staatsoberhäupter geworden, die das Land geprägt und den Menschen etwas hinterlassen haben.

Und doch wiegt die Botschaft, die dieser Präsident dem Volk in seiner ersten Amtsstunde vorenthalten hat, schwerer, als bei manchem anderen vor ihm – weil sich die Abwesenheit einer funktionierenden Bundesregierung mit einem sie tragenden Ziel nach nunmehr neun Monaten langsam aber sicher zur Belastung für die Zukunft des Landes auswächst. Und weil Wulff die Sicherheit, die die schwache Bundeskanzlerin den Menschen vorenthält, nicht zu kompensieren versucht. Aber auch, weil die Diagnosen von Wulff nicht neu sind: Fehlende Aufstiegschancen von Migranten, das marode deutsche Bildungssystem, die beharrliche Gier des Finanzsystems und nicht zuletzt das die Demokratie schleichend zerstörende Gift einer wachsenden Kluft zwischen Regierenden und Regierten, Teilhabenden und sich Aussondernden. Wulff hat all die Probleme beschrieben. Aber einen Weg aus ihnen heraus, den hat er – noch – nicht gewiesen.

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