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Gesundheitsreform: Kommission soll keine Laberbude sein

Unter Gesundheitsexperten und solchen, die sich dafür halten, gibt es momentan nur ein Gesprächsthema: Wer darf mitmischen in der Kommission, die der neuen Regierung den Weg in den versprochenen Umbau des Gesundheitssystems weisen soll?

Berlin - „Spätestens im Januar“ werde die Arbeitsgruppe stehen, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Ulrike Flach. Und derzeit sei man mit fast nichts anderem mehr beschäftigt, als die Bewerbungen dafür zu sortieren. „Unsere Schreibtische brechen zusammen“, klagt die FDP-Politikerin.

Dass die Beteiligung an regierungsberatenden Fachzirkeln karrierefördernd sein kann, hat spätestens die im Jahr 2002 einberufene „Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme“ bewiesen. Die hinfort nur noch Rürup-Kommission genannte Runde war, obwohl sie sich keineswegs einigen konnte, jahrelang in aller Munde. Und ihre Hauptakteure Bert Rürup und Karl Lauterbach sonnten sich seither in unanfechtbarem Expertenstatus.

Es erstaune ihn schon, wer sich alles für die neue Kommission qualifiziert fühle, gestand Staatssekretär Daniel Bahr in interner Runde. Doch möglicherweise haben die eilfertigen Selbstbewerber etwas missverstanden. Die Runde, die dem anvisierten Systemumbau die Richtung geben soll, heißt schon im Koalitionsvertrag „Regierungskommission“. Und um deutlich zu machen, dass Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) zwar den Vorsitz, nicht aber das alleinige Sagen haben soll, sprechen manche gleich lieber von einer interministeriellen Arbeitsgruppe.

Von einer Expertenkommission hingegen ist nirgendwo die Rede. Im Gegenteil. Im Ministerium hat man sich bereits darauf verständigt, dass Fachleute „nur zugezogen werden, wenn man sie braucht und dann wieder nach Hause gehen können“, wie es eine Beteiligte liebevoll beschreibt. Den Grund dafür nennt Ulrike Flach ganz offen. Man wolle nicht, „dass die Experten durch die Talkshows tingeln und allen erzählen, was die Kommission denkt“. Wenn dies dann noch Experten sind, die an der Privatisierung des Systems mitverdienen, könnte das die Reform in Verruf bringen, bevor man sie gestartet hat.

Definitiv „keine Laberbude“ werde die Kommission sein, verspricht Staatssekretär Bahr. Wer darin sitzen wird und wie stark Fraktionen und Länder eingebunden werden, ist noch offen. Allerdings hat Kanzlerin Angela Merkel klargestellt, dass sie zur zweiten Jahreshälfte Vorschläge erwartet. Was nicht heißen muss, dass die dann endgültig sind. Für ordentliche Arbeit brauche man Zeit, betont Ulrike Flach. Dass man sich die zu lassen gedenke, hänge aber nicht etwa mit der NRW- Landtagswahl im Mai zusammen. Schließlich werde die Debatte so oder so „losgehen, wenn die Kommission eingerichtet ist“. Und bis Ende 2010 werde sie ihre Aufgabe auch erledigt haben.

Baden-Württembergs AOK-Chef Rolf Hohberg folgert aus diesem Zeitplan, dass offenbar auch für das Jahr 2011 noch keine Gesetze zu erwarten seien. Dabei werde es dann richtig brenzlig: Wegen Krise und fälliger Darlehensrückzahlungen sei mit einem Rekorddefizit von bis zu 25 Milliarden Euro zu rechnen – was umgerechnet für jeden gesetzlich Krankenversicherten 30 Euro Zusatzbeitrag bedeute. Die Regierung müsse schon sagen, drängt Hohberg, ob sie angesichts dessen weiter auf eine generelle Beitragserhöhung verzichten zu können glaube.

Für den CDU-Experten Jens Spahn sind solche Zahlen nichts als Schwarzmalerei. „Manch Krankenkassenvorstand sollte etwas weniger öffentlich ins Blaue spekulieren und sich manchmal etwas mehr um seine Kasse kümmern“, sagte er dem Tagesspiegel. Den vereinbarten Einstieg in eine lohnunabhängige Finanzierung werde man „ohne Eile und mit Gründlichkeit, aber auch mit der nötigen Zielstrebigkeit“ voranbringen. Außerdem sei es das Ziel der neuen Koalition, „dass die neuen Regelungen Anfang 2011 in Kraft treten“.

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