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Politik: Konflikt als Chance

Türkei sagt Papstbesuch nicht ab und will sich als Mittler zwischen Christentum und Islam profilieren

Istanbul - Die Türkei will den Streit über die Äußerungen von Papst Benedikt XVI. nutzen, um eine neue Initiative zum interkulturellen Dialog zu starten. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan übte am Samstag zwar scharfe Kritik am Papst, betonte aber zugleich, die Türkei wolle verhindern, dass „ein Schatten auf den Dialog zwischen den Kulturen und Religionen fällt“. Zu Auswirkungen des Streits auf die Ende November geplante Türkei-Reise des Papstes wollte sich Erdogan nicht äußern. In Regierungskreisen hieß es aber, der Besuch werde nicht abgesagt. Die Visite sei vielmehr eine gute Chance, nach dem Karikaturenstreit und der Aufregung über die umstrittenen Worte des Papstes das Verhältnis zwischen der christlichen und islamischen Welt auf eine neue Grundlage zu stellen.

Erdogans islamisch geprägte Regierung verfolgt offenbar eine zweigleisige Taktik. Einerseits kritisiert sie, vor allem mit Rücksicht auf ihre religiösen Anhänger, die Äußerungen des Papstes. Andererseits achtet sie aber darauf, dass die Reaktionen nicht aus dem Ruder laufen. Regierungsvertreter, die nicht genannt werden wollten, sagten dem Tagesspiegel, die Türkei habe wesentlich gemäßigter reagiert als andere muslimische Staaten. Bis Ende November sei genug Zeit, um die Gemüter zu beruhigen.

Die umstrittene Papstvisite könnte aus Sicht der Realpolitiker in Ankara ein Pluspunkt für das EU-Bewerberland Türkei werden. Im Außenministerium heißt es, der Besuch des Papstes stelle eine Gelegenheit für die christliche und islamische Welt dar, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Wenn dies am Ende die Botschaft des Papstbesuches am Bosporus sein sollte, wäre das ohne Zweifel ein politischer Gewinn für Ankara.

In der Türkei wird inzwischen der Ruf nach mehr Besonnenheit stärker. Die Zeitung „Hürriyet“ warf den Kritikern des Papstes in der islamischen Welt vor, die Regensburger Rede überhaupt nicht gelesen zu haben. Der Chef des staatlichen Religionsamtes, Ali Bardakoglu, musste zugeben, dass auch er bisher nur Auszüge der Rede kennt. Dabei hatte der oberste Glaubenshüter der Türkei als einer der Ersten eine Entschuldigung des Papstes verlangt.

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