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Der Export treibt den Aufschwung. Wie hier bei einem Zulieferwerk für die Automobilindustrie in Treuen profitiert die deutsche Industrie derzeit von den Ausfuhren.

© dpa

Konjunkturprognose: Wirtschaftslage: Das wächst sich aus

Die Regierung hebt die Jahresprognose auf 3,4 Prozent – doch auch der Schuldenberg wird größer. Am Ende des Jahres werden wohl 50 bis 55 Milliarden neue Bundesschulden stehen.

Berlin - Da lacht das Herz des Politikers, und das von Rainer Brüderle wird noch ein wenig mehr ins Hüpfen geraten sein. Der Bundeswirtschaftsminister (FDP) hat sich in der Rolle des Optimisten immer schon wohler gefühlt als in der des ordnungspolitischen Mahners. Und nun gibt es gute Nachrichten zur Wirtschaftslage und damit Grund für Zuversicht. Es geht aufwärts. Bislang hatte sich die Regierung bei ihrer Konjunkturprognose noch geziert. Mit 1,4 Prozent für 2010 rechnete sie, angesichts der Ausgangslage des Krisenjahres 2009 eine eher maue Zahl. Aber der wirtschaftliche Aufschwung scheint einigermaßen fundiert zu sein, wovon auch das Bundesfinanzministerium mittlerweile ausgeht. Und so konnte Brüderle am Donnerstag herzhaft draufsatteln: Die Regierung schraubt ihre Wachstumsprognose auf 3,4 Prozent.

Eine stolze Zahl für ein reifes Industrieland, so viel wie seit dem Einheitsboom nicht mehr. Und dazu noch „das stärkste Wachstum aller westlichen Industrieländer“, frohlockte der Wirtschaftsminister – die Amerikaner abgehängt, allen EU-Partnern weit voraus, „ein Wachstumswunder“. Und weil der Laden brummt, sollen auch die Arbeitnehmer mehr Gehalt bekommen, forderte Brüderle nochmals. Mit deutlicher Unterstützung der Kanzlerin, die damit den anderen EU-Regierungen signalisiert, dass Deutschland nicht nur auf seine Exportstärke setzen will, sondern auch auf mehr Konsum daheim, was die Importe erhöht.

Dass die Arbeitslosenquote weiter sinkt, laut Brüderle auf 2,9 Millionen im kommenden Jahr, wird den Konsum weiter stützen. Und damit auch dem Staat dringend ersehnte höhere Steuereinnahmen bescheren, wie auch die steigenden Gewinne der Unternehmen. Die Realeinkommen stiegen dieses Jahr laut Wirtschaftsminister um 2,7 Prozent – vor Steuern natürlich. So glücklich war FDP-Mann angesichts dieser glücklichen Verkettung der Umstände, dass er gleich noch ein bisschen Steuerentlastung in Aussicht stellte.

Aber wie nachhaltig ist dieser Aufschwung? Dass die Bundesregierung sich jetzt traute, die 3,4-Prozent-Prognose zu geben, hängt damit zusammen, dass der Rückgang des Wachstums im dritten Quartal nach dem ungewöhnlich starken ersten Halbjahr nicht so deutlich war wie befürchtet. Mit der Prognose von 1,8 Prozent für 2011 hielt sich Wirtschaftsminister Brüderle schon wieder merklich zurück. Von schwächerem Export und nachlassender Dynamik im Vergleich zum ersten Halbjahr 2010 spricht das Finanzministerium. Und der erfreuliche Rückgang der Arbeitslosigkeit bedeutet noch nicht die Rückkehr zu allgemeiner Vollzeittätigkeit. Noch immer gibt es Kurzarbeit, wenn auch nur noch in Fünftel des Umfangs zum Höhepunkt der Krise 2009. Im Bericht des Finanzministeriums heißt es: „Erst im Zuge eines anhaltenden konjunkturellen Aufschwungs dürfte es auch hinsichtlich der Arbeitszeit zu einer Normalisierung kommen.“

Die Mittel des Staates, das Wachstum anzutreiben, sind freilich begrenzt angesichts des Zwangs zu Währungsstabilität und des rapide wachsenden Schuldenbergs. Brüderle mahnte denn auch ein Ende der Konjunkturprogramme und eine Fortsetzung der Sparpolitik an. Nach dem Monatsbericht des Finanzministeriums wird die Bundesrepublik 2010 trotz der besseren Wirtschaftslage eine Nettoneuverschuldung von vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts haben und damit die Euro-Stabilitätsregeln deutlich verletzen. Am Ende des Jahres werden wohl 50 bis 55 Milliarden neue Bundesschulden stehen – und es ist nur ein schwacher Trost, dass es nicht die von Minister Wolfgang Schäuble (CDU) vorsichtshalber eingeplanten 80 Milliarden werden. Die Bruttoneuverschuldung, also einschließlich der Tilgung alter Schulden durch neue, erreichte allein beim Bund von Januar bis September die schwindelerregende Summe von gut 232 Milliarden Euro, die Zinszahlungen lagen bei 33,8 Milliarden – das entspricht ungefähr dem Jahresetat des Landes Baden-Württemberg. Vom Ziel einer „langfristig tragfähigen Situation“ hätten sich die öffentlichen Finanzen „wieder ein gutes Stück entfernt“, lautet das Fazit aus dem Schäuble-Ressort.

Trotz des Aufschwungs sind die Steuereinnahmen des Bundes im ersten Dreivierteljahr nochmals um 3,4 Prozent gesunken. Ein Plus ist erst im kommenden Jahr zu erwarten, wie nachhaltig das sein wird, hängt auch stark davon ab, ob China, Indien oder Brasilien unter Dampf bleiben (denn der Aufschwung der Schwellenländer allein ist derzeit das Glück der Exportnation Deutschland), dass die Euro-Partner wieder Anschluss beim Wachstum finden (weil dorthin noch immer die meisten deutschen Ausfuhren gehen) und dass die USA nicht in eine neue Rezession fallen.

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