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Die Parteispitze und die Fraktionsspitze: Wollen in unterschiedliche Richtungen

© dpa/Christoph Soeder

Konkurrenz zwischen Fraktion und Partei: Die Grüne Parteispitze will ihr Machtzentrum ausbauen

Nach Tagesspiegel-Informationen möchten die Grünen-Parteichefs die Parteizentrale stärker als Machtzentrum definieren. Dafür steht insbesondere eine Personalie.

Die Grünen-Tradition der Doppelspitze und der Ämtertrennung hat Vorteile: Es gibt mehr Schultern, auf denen sich die Arbeitslast verteilen kann. Sie hat aber auch Nachteile. Inzwischen beanspruchen so viele Grüne einen Platz in der ersten Reihe, dass es stellenweise schwerfällt, den Überblick zu behalten.

Die Parteispitze um Ricarda Lang und Omid Nouripour will nun die Macht wieder stärker in ihrem Haus zentrieren. Der Fokus soll von der Bundestagsfraktion zurück auf die Bundeszentrale der Partei gelenkt werden, die in Berlin am Platz vor dem neuen Tor sitzt, nur wenige Kilometer vom Reichstagsgebäude entfernt.

Dafür steht insbesondere eine Personalentscheidung. Chiara Tummeley, bislang Büroleiterin der Grünen-Vorsitzenden Lang, wird Leiterin der Strategieabteilung „Politik und Analyse“. Zudem schafft die Geschäftsstelle nach Tagesspiegel-Informationen eine zusätzliche Stelle, Tummeley soll eine Stellvertretung bekommen. Dieser Posten ist demnach bislang nicht besetzt.

Die Parteispitze um Ricarda Lang und Omid Nouripour will nun die Macht wieder stärker in ihrem Haus zentrieren.
Die Parteispitze um Ricarda Lang und Omid Nouripour will nun die Macht wieder stärker in ihrem Haus zentrieren.

© Stefanie Loos

Die bisherige Leiterin der Strategieabteilung, Melanie Haas, wechselt ins Bundesfamilienministerin. Die Personalwechsel bestätigte die Bundesgeschäftsstelle dem Tagesspiegel.

Tummeley und ihre Stellvertretung sollen sich neben der programmatischen Ausrichtung dem Vernehmen nach auch um den Kontakt zu den Ministerien kümmern – damit wird offenkundig, dass die Entscheidung machtstrategisch motiviert ist. Bislang bekommt vor allem die Fraktion nach Ampel-Entscheidungen viel öffentliche Aufmerksamkeit.

Vor der Bundestagswahl 2021 war das unangefochtene Machtzentrum der Grünen die Bundesgeschäftsstelle, damals führten Robert Habeck und Annalena Baerbock die Partei. Die Fraktion war in der Nebenrolle. Aber Habeck ist inzwischen Wirtschaftsminister und Vizekanzler, Baerbock ist Außenministerin der Ampel-Koalition. Damit löste sich die bisherige Machtarchitektur der Grünen auf, und sortiert sich seitdem neu.

Habeck und Baerbocks Verhältnis gilt als belastet

Habecks und Baerbocks Verhältnis hat durch den Bundestagswahlkampf 2021 gelitten. Baerbock hatte damals entschieden als Kanzlerkandidatin anzutreten, gegen den Willen von Habeck, der selbst gern Kanzlerkandidat geworden wäre. Sie sollen zwar noch miteinander sprechen, aber das Vertrauen zwischen ihnen ist dahin.

Als Machtfaktor in der Partei fällt die Achse Habeck-Baerbock aus. Auch die Kanzlerkandidatur 2025 wird wohl zwischen Baerbock und Habeck entschieden werden, die alte Konkurrenz blüht deswegen neu auf.

Die Fraktion steht deshalb auch häufiger im Fokus der Aufmerksamkeit, weil sich Abgeordnete öfter gegen die Pläne der Regierungsmitglieder stellen als die Parteispitze. Die folgt dem Regierungskurs meist.

Ein Beispiel: Der Streit um die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke. Während die Fraktion Habeck im Spätsommer zu verstehen gab, dass sie den Streckbetrieb der drei AKW nicht mittragen würde, war die Parteispitze durchaus der Meinung, dass ein Streckbetrieb vertretbar wäre. Habeck musste sich der Fraktion beugen. Erst durch ein Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz konnte das dritte Atomkraftwerk in den Streckbetrieb gehen.

Vorerst bleibt offen, ob die Parteispitze ihr Ziel verwirklichen kann, die Parteizentrale wieder zum Machtzentrum auszubauen. Denn nicht alle sind zufrieden mit ihrem Kurs. „Wie wichtig Teilen der Grünen der Kampf gegen die Klimakrise ist, geht in der Bundesgeschäftsstelle manchmal unter“, heißt es. Wie einig sich Partei und Ministerien oft sind, wird ebenfalls kritisch beäugt.

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