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Politik: Korsettstangen für Rot-Grün

Im Bundesrat hat die Union ihre Mehrheit weiter ausgebaut – und im Vermittlungsausschuss herrscht nun ein Patt

Mit dem Wahlsieg in Niedersachsen hat die Union ihre Mehrheit im Bundesrat weiter ausgebaut. Sie kann nun über 41 der 69 Länderstimmen verfügen. Bislang lag die Mehrheit bei 35 Stimmen. Grundsätzlich ändert sich damit zwar wenig, denn von der Zwei-Drittel-Mehrheit ist die Union noch immer sechs Stimmen entfernt. Sie kann sie also auch nach einem Wahlsieg in Bremen im Mai nicht erreichen, sollte dort die CDU die Bürgerschaftswahl gewinnen. Erst bei einer Zwei-Drittel-Mehrheit könnte die Union den Gesetzgebungsbetrieb völlig lahm legen, weil dann ein Einspruch, den die Länderkammer einlegt, mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag zurückgewiesen werden müsste. Die aber hat Rot-Grün nicht.

Eine solche Totalblockade droht also nicht, und die am Sonntag noch ausgebaute Mehrheit will die Union staatstragend einsetzen. Mit den Worten von CSU-Generalsekretär Thomas Goppel: „Im Bundesrat wird es nun darum gehen, rechtzeitig Korsettstangen einzuziehen, wenn Rot-Grün mal wieder ausflippt.“ Gemeint ist damit, was der hessische Wahlsieger Roland Koch als „Kontrollmehrheit der Union“ in der Länderkammer bezeichnet. Bei den Kompromissen zur Hartz-Reform, nicht zuletzt von Koch zusammen mit Wirtschaftsminister Wolfgang Clement eingefädelt, hat sich schon gezeigt, wer in den nächsten Monaten die deutsche Politik bestimmen wird: eine informelle große Koalition. Koch dürfte seinen Wahlsieg nutzen, seine schon jetzt anspruchsvolle Rolle im Bundesrat noch auszubauen und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber zunehmend in den Schatten zu stellen.

Eine Änderung dürfte Rot-Grün stärker schmerzen als die nun gewachsene Mehrheit der Union im Bundesrat. Mit dem Sieg in Niedersachsen gewinnt die Union auch einen weiteren Ländersitz im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat, also in dem Gremium, das bei Dissens der beiden Verfassungsorgane eine Lösung suchen soll. Bislang hat Rot-Grün dort eine Mehrheit von einer Stimme. Mit Christian Wulffs Sieg gibt es nun das Patt, das Rot-Grün mit einer Verfahrensänderung nach der Bundestagswahl abgewendet hat, als es schon einmal drohte. Denn Patt bedeutet: Ohne wirklichen Konsens geht im Vermittlungsausschuss nichts mehr. Weder für die Regierungslinie noch für die Opposition gibt es eine Mehrheit. Für die Union ist das nicht zuletzt aus optischen Gründen ein Gewinn: Sie kann sich noch mehr als eine Opposition darstellen, die auf Augenhöhe mit der Regierung agiert.

Ob die FDP sich stärker auch über den Bundesrat zu Wort meldet, ist nach dem gemischten Ergebnis vom Sonntag vorerst unklar. Einige FDP-Politiker wollen die Regierungsbeteiligungen in den Ländern stärker zur Profilierung nutzen. Immerhin sind die Stimmen der CDU-Länder mit FDP-Beteiligung weniger wert, wenn die FDP sich sperrt – etwa, wenn die Union rot-grüne Gesetze nach eigenen Prämissen ändern will.

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