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Ihren Sieg feierte die von Präsident Wladimir Putin unterstützte Partei bereits am Sonntagabend, als noch wenige Stimmen ausgezählt waren.

© imago images/SNA

Kremlpartei stärkste Kraft bei Duma-Wahl: Putins bestellter Sieg

Russlands Kremlpartei siegt trotz Verlusten bei der Parlamentswahl – begleitet von massiver Manipulation. Eine Weichenstellung für die Präsidentenwahl 2024.

Von Oliver Bilger

Die Bilder ähneln sich bei jeder Abstimmung in Russland: Menschen, die Stimmzettel haufenweise in die gläsernen Wahlboxen stopfen; Helfer in den Stimmlokalen, die sich währenddessen vor den Überwachungskameras platzieren oder rasch die Jalousien zuziehen, weil jemand von draußen den Betrug durchs Fenster filmen will.

Russland hat ein neues Parlament gewählt und das Ergebnis bietet wenig Raum über Überraschungen. Am Montag teilte die Wahlkommission mit, dass die Kreml-Partei Einiges Russland nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit errungen habe. Sie kommt demnach auf 49,6 Prozent. Umfragen hatten sie angesichts großer Unzufriedenheit über die wirtschaftliche und soziale Lage zuvor bei weniger als 30 Prozent gesehen. Viele Russen klagen über sinkende Löhne bei steigenden Preisen.

Ihren Sieg feierte die von Präsident Wladimir Putin unterstützte Partei bereits am Sonntagabend, als noch wenige Stimmen ausgezählt waren. Bei einer Wahlparty in Moskau rief Bürgermeister Sergej Sobjanin „Putin, Putin, Putin!“. Eine Fähnchen-schwingende Menge nahm den Slogan auf und skandierte den Namen des Präsidenten.

Verluste für die Kremlpartei

Im Vergleich zur Dumawahl 2016 muss die Kremlpartei allerdings Verluste hinnehmen. Damals kam sie auf 54,2 Prozent. Vor allem die Kommunisten konnten im Vergleich zur vorigen Wahl zulegen. Sie kommen auf 19,2 Prozent. Vor fünf Jahren erreichten sie 13,3 Prozent. Kommunistenchef Gennadi Sjuganow, erklärte, dass Einiges Russland bei „objektiver Betrachtung“ diesmal nicht mehr die absolute Mehrheit erreicht habe. Sjuganow warnte einmal mehr vor Wahlbetrug. Die Kommunisten meinten, dass unter der Kremlpartei und Putin kein Fortschritt zu erwarten sei.

Die Rechtspopulisten der LDPR um den Ultranationalisten Wladimir Schirinowski erreichten beim Votum vom Wochenende 7,5 Prozent, die Partei Gerechtes Russland 7,3 Prozent. Knapp über die Fünf-Prozent-Hürde kam auch die neue Partei Nowyje Ljudi (Neue Leute). Alle Parteien gelten als kremlnah.

Absolute Mehrheit gesichert

Andrej Turtschak, Generalsekretär von Einiges Russland, erklärte am Montag, seine Partei habe mindestens 315 der 450 Sitze gewonnen – und damit die für Verfassungsänderungen wichtige Zweidrittelmehrheit verteidigt. Ihm zufolge gewann seine Partei 195 der insgesamt 225 zur Wahl stehenden Direktmandate sowie 120 Sitze über die Parteiliste.

Undurchsichtig ist bei russischen Wahlen nicht nur die Kabine zur Abstimmung – wieder gab es viele Berichte über Manipulationen.
Undurchsichtig ist bei russischen Wahlen nicht nur die Kabine zur Abstimmung – wieder gab es viele Berichte über Manipulationen.

© imago images/ITAR-TASS

Turtschak sprach von einem „klaren und sauberen“ Sieg. Ein Verlust, so hatten es Experten bereits vor der Wahl erklärt, würde als Zeichen von Schwäche des Systems gewertet werden – deshalb sei es für den Kreml nicht möglich, eine faire Abstimmung zuzulassen, schrieb der Russland-Experte Mark Galeotti in der „Moscow Times“.

Trotzdem wäre es ein Fehler, die Wahl für unwichtig zu halten. „Für den Präsidenten sind Wahlen ein unangenehmer, aber unvermeidlicher politischer Check: ein Beweis dafür, dass das bestehende System effektiv, zweckmäßig und das Beste ist, was es gibt“, erklärte auch die Politologin Tatjana Stanowaja.

„Putin braucht diese Wahlen, um die rechtliche Autorität seines Regimes zu bekräftigen, auch gegenüber der Elite, die keiner Versuchung ausgesetzt werden darf, mit der Suche nach einem Nachfolger für Putin zu beginnen.“

Kremlkritiker ausgeschlossen

Kremlkritiker, von denen sich viele nicht zur Wahl stellen durften, bezeichneten die von Freitag bis Sonntag andauernde Abstimmung als Schwindel. Wahlbeobachter der Organisation Golos registrierten bis Sonntagabend mehr als 4900 Berichte über Wahlbetrug, darunter Drohungen gegen Wahlbeobachter und die Abgabe von mehr als einer Stimme pro Wähler.

Russische Behörden halten der Organisation vor, vom Ausland gesteuert zu sein. Bei der staatlichen Wahlkommission seien 137 Berichte über „Nötigung“ bei der Stimmabgabe eingegangen, erklärte Kommissionschefin Ella Pamfilowa. In acht Fällen seien Wahlurnen mit gefälschten Stimmzetteln befüllt worden. Dies habe aber keinen Einfluss auf das Wahlergebnis insgesamt.

Pamfilowa sprach außerdem von „gewaltigen“ Cyberattacken, die gegen die Website der Wahlkommission verübt worden seien – zumeist aus den USA und Deutschland.

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Nawalny-Mitstreiter chancenlos

Chancenlos bei der Wahl waren die Verbündeten von Kremlkritiker Alexej Nawalny, der seit Anfang des Jahres im Gefängnis sitzt. Seine Bewegung wurde als extremistisch eingestuft, seine Mitstreiter durften sich nicht zur Wahl stellen. „Eines Tages werden wir in einem Russland leben, wo es möglich sein wird, für gute Kandidaten zu stimmen, die unterschiedliche politische Richtungen vertreten“, schrieb der Nawalny-Verbündete Leonid Wolkow am Sonntag im Kurznachrichtendienst Telegram.

Noch wenige Stunden vor dem Ende der Wahl hatten Anhänger Nawalnys erneut zu einer taktischen Stimmabgabe aufgerufen. Gegnern Putins rieten sie, in den jeweiligen Wahlkreisen ihre Stimme demjenigen Kandidaten zu geben, der die besten Chancen hat, den Vertreter von Putins Partei zu schlagen.

Zuvor hatten sich die US-Unternehmen Google und Apple dem Druck russischer Behörden gebeugt und die „Smart Voting“-App der Nawalny-Opposition aus ihren App-Stores entfernt. Damit konnte die Anwendung für Wahlempfehlungen nicht mehr ohne Weiteres auf Android- und Apple-Smartphones installiert werden. Die Regierung habe mit der Festnahme örtlicher Mitarbeiter gedroht, hieß es aus den Unternehmen.

Die Parlamentswahl war die letzte Abstimmung vor der Präsidentenwahl 2024. Kommentatoren sehen das Ergebnis als Weichenstellung für eine mögliche neue Kandidatur Putins, der dann 71 Jahre alt sein wird. (mit dpa)

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