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Politik: Krenz allein zu Haus

Der Ex-DDR-Staatschef ist wieder in der Heimat – kaum einer feiert ihn

Von

Von Andreas Frost

und Matthias Meisner

Im lang gestreckten Dierhagen, zwischen Rostock und Stralsund gelegen, geht niemand im Krenz’schen Anwesen mit Ostseeblick ans Telefon. Durchaus komme Erika Krenz ab und an Brötchen holen, sagt eine Verkäuferin am Freitag in der Stadtbäckerei. Aber heute sei weder sie noch ihr Mann da gewesen. Und wenn Krenz komme, werde er bedient „wie jeder andere auch“.

Der vorzeitig aus der Haft in Plötzensee entlassene frühere DDR-Staatschef Egon Krenz will Weihnachten mit seiner Familie feiern, im eigenen Häuschen nahe eines dichten Kiefernwaldes. Er freue sich darauf, das war einer der ersten Sätze, die er am Donnertagabend als freier Mann sagte. Seine Frau habe lange darauf gewartet, „dass ich wieder Zeit für sie habe“. Um gleich darauf politisch zu werden: „Entgegen allen Unterstellungen war es immer eine Niederlage für mich, dass wir nicht in der Lage waren, Tote und Verletzte an der Grenze zu verhindern.“

Die fehlende Einsicht von Krenz in seine Fehler – mancher empört sich darüber. Die Dierhagenerin Ingeborg Schulz etwa ist nicht so begeistert über den neuen Mitbürger. „Was hat der denn als Freigänger für eine Haft erlitten?“, fragt sie. „Wenn er zumindest ein bisschen Einsicht zeigen würde. Aber er ist sich ja keiner Schuld bewusst.“ So ähnlich sehen das auch viele DDR-Bürgerrechtler. „Krenz hat genug auf dem Kerbholz“, wird Wolfgang Templin von der „Berliner Zeitung“ zitiert: „Es gibt nichts, was die vorzeitige Entlassung rechtfertigt.“ Die heutige CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld sagt dem Tagesspiegel: Krenz sollte „mal klar werden, dass er nun von den Vorteilen des Rechtsstaats profitiert – Vorteile, die Häftlinge in der DDR nicht hatten“.

Die PDS verzichtete am Freitag in ihrem Internet-Auftritt auf jeden Hinweis zur Haftentlassung von Krenz. Ihr Chef Lothar Bisky hatte die Gerichtsentscheidung bereits am Donnerstag begrüßt. Im „Neuen Deutschland“ bedankte sich Krenz bei allen, die sich für ihn eingesetzt hätten – darunter auch viele Leser des Blattes. Denen versicherte er: „Auch nach meiner Freilassung bleibe ich wie nach meiner Verhaftung das, was ich immer war, nämlich Sozialist.“

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