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Proben für den Ernstfall. Israel will auch durch erhöhte Militärpräsenz die Grenze zum Nachbarn schützen. Die Golan-Höhen haben eine wichtige strategische Bedeutung.

© Jalaa Marey/AFP

Krieg in Syrien: Die Drusen: Israels Syrer

Israels Armee versucht, die Lage auf dem Golan ruhig zu halten. Dabei wären dort lebende Drusen viel lieber auf der anderen Seite der Grenze. Auch wegen Assad.

Ein eisiger Wind weht hier auf dem Golan, wo die beiden verfeindeten Staaten Syrien und Israel aufeinandertreffen. Der Oberbefehlshaber der israelischen Armee, der seinen Namen nicht sagen darf, steht an einem Aussichtspunkt nahe des Dorfes Ein Zivan, gut einen Kilometer von der Grenze entfernt. Seine kakifarbene Fleecejacke hat er bis zum Kinn zugezogen. Immer wieder ist das Donnern der Detonationen auf der anderen Seite zu hören. „Seit dem Beginn des Krieges sehen wir, wie sich die Kämpfe vor unseren Augen entwickeln.“

Der Krieg in Syrien begann vor sechs Jahren. Seither beobachtet die israelische Armee das umkämpfte Gebiet auf der anderen Seite der gut 100 Kilometer langen Grenze. Hier und da sind Dörfer zu sehen, ansonsten viele Felder. Bisher ist es weitgehend ruhig geblieben, nur vereinzelt sind in den vergangenen Jahren Geschosse auf israelischem Boden gelandet. „Die meisten stammen von der syrischen Armee“, sagt der Oberbefehlshaber.

"Wir wollen eine friedliche Grenze"

Oft sind das unbeabsichtigte Einschläge, die Israel dennoch nicht duldet. Die Luftstreitkräfte greifen dann Stellungen des syrischen Militärs an, so wurde zumindest immer wieder in den Medien berichtet. „Wir wollen eine friedliche Grenze, dass Kinder hier auf dem Golan in die Schule gehen, Touristen sich hier in Ruhe eine Unterkunft mieten und Landwirte ihre Felder bestellen können“ – das ist alles, was der Oberbefehlshaber dazu sagt.

Schutz durch die israelische Armee – einige Bewohner des Golan haben dafür nicht viel übrig. In einem Restaurant im Dorf Bukata, wenige Kilometer nördlich des Aussichtspunktes, sitzt Scheich Hussam Nasser an einem Tisch und sagt: „Ich bin Syrer, und das hier ist syrisches Land, unser Heimatland.“ Er trägt die typische Kleidung religiöser Drusen: schwarze Pluderhose, weiße Mütze und einen auffälligen Schnurrbart. „Syrien war eines der schönsten Länder im Nahen Osten, bis es vom Krieg und den Menschen von außerhalb zerstört wurde.“ Für den Scheich ist klar, dass nur einer das Land retten kann: Baschar al Assad. „Die Armee ist die einzige Kraft, die für Stabilität sorgen kann.“

Die Grenzdörfer auf syrischer Seite sind seit Jahren umkämpft.
Die Grenzdörfer auf syrischer Seite sind seit Jahren umkämpft.

© Jalaa Marey/AFP

Scheich Nasser sagt das, obwohl er selbst auf der sicheren Seite lebt. 1967 eroberte Israel die Golanhöhen und annektierte sie 15 Jahre später. Die internationale Gemeinschaft hat das bis heute nicht anerkannt, einige Bewohner wie Nasser ebenfalls nicht. Viele der mehr als 20.000 Drusen im Golan nehmen die israelische Staatsangehörigkeit nicht an.

Die Drusen, die sich im 11. Jahrhundert vom Islam abgespaltet haben und die Grundlagen ihres Glaubens geheim halten, sind in Israel eine Minderheit. Auch in Syrien machen sie gerade mal zwei Prozent der Bevölkerung aus. Zwischen den Familien in beiden Ländern herrscht noch immer enger Kontakt.

„Viele kämpfen auf der Seite der syrischen Armee, zwei Brüder meiner Frau sind im Kampf gestorben“, sagt Shalan Marsuk, der neben dem Scheich sitzt und sich als Aktivist bezeichnet. Bis 2014 konnten die Drusen aus dem Golan noch über einen Checkpoint nach Syrien reisen. Viele junge Drusen gingen für das Studium nach Damaskus, Landwirte exportierten Äpfel in die alte Heimat.

Checkpoint geschlossen

Doch dann wurde der Checkpoint aus Sicherheitsgründen geschlossen. Nur einige syrische Verletzte kommen noch immer über die Grenze, um in israelischen Krankenhäusern behandelt zu werden. Rund 3000 waren es nach Angaben der Armee bisher. Kinder, Frauen, aber auch junge Männer, einige von ihnen sogar Kämpfer.

Der Scheich ist überzeugt, dass Israel nicht neutral ist und die Rebellentruppen unterstützt – unter anderem durch die Krankenhausbehandlungen. „Israel ist nicht die Schweiz. Sie wollen eine Pufferzone gegen die Hisbollah an der Grenze schaffen.“ Verschwörungstheorien? „Die Armee nimmt nicht am Krieg in Syrien teil“, sagt der Oberbefehlshaber der Armee am Aussichtspunkt. Medien berichteten hingegen davon, dass israelische Kampfflugzeuge bereits Waffenlager nahe Damaskus angegriffen hätten. Auf israelischer Seite wird dies jedoch nicht bestätigt.

Aber dass die Präsenz der Rebellentruppen für Israel zumindest hilfreich sein könnte, beschreibt der Militärexperte Amos Harel in der Tageszeitung „Haaretz“. Israel habe es zunächst gestört, dass 2013 und 2014 Rebellentruppen wie die Nusra-Front und die Yarmouk-Märtyrer-Brigade die Grenzdörfer eroberten. Aber nach und nach hätte man die Vorteile erkannt, dass damit nämlich die Präsenz der libanesischen Hisbollah und der Iranischen Revolutionsgarde an der Grenze verschwindet – beide stehen auf der Seite des Assad-Regimes und zählen zu den Erzfeinden Israels.

Die Drohung: Ein zweites Aleppo

Derzeit, so berichtet es Amos Harel, seien die Truppen Assads aber wieder auf dem Vormarsch an der Grenze. Repräsentanten der Regierungstruppen würden Druck auf die Dörfer ausüben, in dem sie mit ähnlichen Kämpfen wie in Aleppo drohen, und manchmal auch mit Artilleriebeschuss Warnungen aussenden. Für einige Drusen im Golan ist das ein Erfolg. „Was wäre die Alternative? Dash?“, fragt Marsuk. Aus Sicht der Drusen sind religiöse Fanatiker eine Gefahr, unter Assad konnten sie weitgehend frei leben.

Aber der Krieg dauert nun schon sechs Jahre an, und auch auf dem Golan sind nicht mehr alle so kampfeslustig wie Shalan Marsuk und Scheich Hussam Nasser. Immer mehr scheinen froh zu sein, in Sicherheit leben zu können. Waren es laut Medienberichten zu Kriegsbeginn gerade mal 1700 Drusen auf dem Golan, die die Staatsangehörigkeit angenommen haben, seien seither hunderte neuer Anträge gestellt worden. In Madschdal Schams seien heute immerhin 30 Prozent der Einwohner Israelis. Und viele weitere wollen folgen.

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