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Politik: Kügelchen von der Kasse

Rezeptfreie Medikamente müssen künftig selbst bezahlt werden. Doch es gibt Ausnahmen – und für Homöopathie eine Sonderregel

Schulmediziner beklagten sich über Druck aus dem Ministerium, Naturheiler drohten mit Verfassungsklage – schon lange vor der entscheidenden Runde von Ärzten und Krankenkassen im rheinischen Siegburg schlugen die Wellen hoch. Am Dienstag entschied der Gemeinsame Bundesausschuss endgültig darüber, welche rezeptfreien Arzneimittel weiterhin von den Kassen erstattet werden.

Laut Reformgesetz müssen die Versicherten diese Mittel künftig selber bezahlen. Allerdings gibt es Ausnahmen: 36 Wirkstoffe, die der Ausschuss nun auf fünf Seiten aufgelistet hat. Von den Naturheilmitteln kommen nur vier zum Zuge, die bei schweren Krankheiten als Therapiestandard gelten. Dafür fällt, anders als befürchtet, die homöopathische und anthroposophische Arznei nicht ganz durchs Raster. Sie soll aber nur dann erstattet werden, wenn sie alternativ zu den in der Liste stehenden Präparaten verordnet wird.

Dies sei ein „Mittelweg“, der nicht fachlich, sondern rein rechtlich geboten gewesen sei, betonte der Ausschussvorsitzende Rainer Hess. Im Reformgesetz findet sich nämlich auch ein Passus, auf den besonders die Grünen gepocht hatten: „Der Therapievielfalt ist Rechnung zu tragen.“ Was er für die Ausnahmeliste bedeutet, sei Gegenstand „intensiver Gespräche“ zwischen Bundesausschuss und Gesundheitsministerium gewesen, hieß es.

Das Problem mit homöopathischen Mitteln sei, dass sie nicht indikationsbezogen, sondern individuell verordnet werden, sagte Hess. „Das heißt, sie passen in keine Standardisierung.“ Wenn man sie aber komplett aus der Erstattung herausnehme, drohe die Gefahr „dass diese ganze Therapierichtung vom Markt verschwindet“. Der Vorsitzende des Zentralvereins homöopathischer Ärzte, Karl- Wilhelm Steuernagel, pochte denn auch vorab darauf, „dass man uns nach unseren Kriterien betrachtet“. Bei einer Mittelohrentzündung etwa kämen 340 homöopathische Mittel infrage, sagte er dem Tagesspiegel. „Im Prinzip müssten die alle auf die Liste, sonst können wir unsere Arbeit nicht machen.“

Die Homöopathen wollten sich zunächst nicht zu dem Kompromiss äußern. Steuernagel sagte, er werde Details und Begründung abwarten. Sicher gewesen wäre eine Verfassungsklage, wenn die Homöopathie komplett aus der Erstattung gefallen wäre. Wegen der Vorgabe der Therapievielfalt, sagt Steuernagel. Und weil Homöopathen dann in ihrer Berufsfreiheit behindert würden.

Vertreter von Ärzten und Krankenkassen kritisierten, die Zulassung homöopathischer Präparate entbehre jeglicher Rationalität. Keinen Streit gab es um die rezeptfreien Naturwirkstoffe, von denen jetzt nur noch vier therapiebezogen erstattet werden: Mistelpräparate zur Krebsbehandlung, Johanniskraut gegen Depressionen, Ginkgo-Mittel gegen Demenz und Flohsamen gegen die Darmkrankheit Morbus Crohn. Der Rest ist Chemie: Jodid etwa gegen Schilddrüsenerkrankungen, Chinin gegen Malaria oder Aspirin zur Blutverdünnung bei Herzkrankheiten.

Die anvisierte Kostenersparnis von einer Milliarde Euro werde trotz der Ausnahmen erreicht, so der Ausschussvorsitzende. Homöopathie und Anthroposophie beeinflussen diese Rechnung so gut wie gar nicht. Sie kosteten die Kassen im Jahr 2003 gerade mal 20 Millionen Euro – ein Tausendstel ihrer Gesamtausgaben für Medikamente.

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