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Salih Muslim ist Co-Vorsitzender der kurdischen Partei PYD in Syrien.

© Oliver Berg/dpa

Kurdischer Politiker Salih Muslim: "Das syrische Regime hat nie ernsthaft gegen den IS gekämpft"

Im Interview spricht der kurdische Politiker Salih Muslim über die Lage in Syrien. Das Regime und die Türkei hätten nie ernsthaft gegen den IS gekämpft. Dann erzählt er vom Tod seines Sohnes.

Herr Muslim, der Sturm auf Rakka, die syrische Hauptstadt vom „Islamischen Staat“ hat begonnen. Wer nimmt daran teil und wer führt den Angriff an?

Auf dem Boden kämpfen die „Demokratischen Kräfte Syriens“, ein Bündnis, das aus Kurden, Arabern und Assyrern sowie aus Teilen der Freien Syrischen Armee besteht. Unterstützung erhalten wir von der internationalen Allianz unter Führung der USA.

Und wo sehen Sie die syrische Armee von Baschar al Assad bei dem Kampf um Rakka?

Baschar spielt im Kampf um Rakka keine Rolle. Das Regime hat nie ernsthaft gegen den IS gekämpft. Wieso sollten sie jetzt kommen und zusammen mit uns und der internationalen Allianz gegen den IS kämpfen. Nein, das glaube ich nicht.

Vor einem Jahr haben Sie gesagt, Sie würden Seite an Seite mit jedem kämpfen, der gegen den IS kämpft. Sehen Sie das heute noch immer so?

Ja. Der IS will uns vernichten. Wir müssen uns verteidigen, und wer sich verteidigen muss, nimmt jede Unterstützung, die er bekommen kann.

Auch die Unterstützung der Türkei?

Naja, die Türkei ist ein eigener Fall. Sie hat nie gegen den IS gekämpft und wird es auch niemals tun. Ankara benutzt den IS. Ich glaube sogar, dass die Türkei den Aufstieg des IS überhaupt erst möglich gemacht hat. Sie hat mit den Dschihadisten kooperiert und sie mit allem unterstützt, was nötig war. Auch mit Munition.

Umgekehrt wirft die Türkei Ihnen ebenfalls vor, Terroristen zu unterstützen. Rojava soll der kurdischen Arbeiterpartei PKK als Rückzugsort dienen. Wie ist Ihr Verhältnis zur PKK?

Ideologisch vertreten wir die gleiche Idee, aber die türkische PKK und meine Partei, die syrische PYD, sind zwei getrennte Organisationen. Wir haben nichts miteinander zu tun. Aber natürlich gibt es Kontakte zwischen syrischen und türkischen Kurden.

Der Präsident der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak Masud Barsani hat einmal gesagt: „Die PYD und die PKK sind ein und dasselbe.“

Naja, er kann ja sagen was er will…

Irrt er sich?

Ja, er irrt sich. Erstens weil es nicht stimmt und zweitens weil er einfach übernimmt, was Erdogan sagt.

Die kurdischen Gebiete in Syrien und im Irak berühren sich inzwischen. Sehen Sie trotz der Spannungen die Möglichkeit, dass die beiden Regionen eines Tages zusammenwachsen?

Nein. Es wird nie einen gemeinsamen kurdischen Staat geben. Die Kurdenfrage muss in jedem Land für sich gelöst werden. In Rojava müssen wir eine Lösung für Syrien finden und Erbil muss sich mit Bagdad einigen. Wir wollen die Grenzen nicht verändern. Trotzdem glaube ich, dass wir Kurden dazu beitragen können, dass die Region langfristig enger zusammenwächst. Denn wir sind das verbindende Element. Aber erst müssen wir den IS besiegen.

Der Kampf gegen die Dschihadisten hat auch von Ihnen Opfer gefordert. Ihr Sohn wurde getötet und Ihr Haus in Rojava wurde zerstört. Was bedeutet dieser Krieg für Sie persönlich?

Ja, mein Sohn wurde getötet, aber nicht weil er mein Sohn ist. Mein Sohn ist als Kämpfer gestorben, so wie die Söhne anderer Menschen. Sie haben dieses Land verteidigt und mein Sohn war einer von ihnen. Es ist Krieg – das ist nicht persönlich.

Wollen Sie Rache?

Natürlich. Den IS zu besiegen, bedeutet Rache zu nehmen. Aber es geht dabei nicht um mich. Es geht um das syrische Volk, es geht um die Kurden, es geht um die Menschheit. Wir dürfen nicht zulassen, dass der IS und seine Ideologie weiterleben. Weder bei uns noch in Europa. Deshalb reicht es nicht, den IS militärisch zu besiegen. Wir müssen den IS geistig besiegen.

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