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Politik: Kurze Freude und viele Ängste

DIE GEISELN UND WIR

Für sechs deutsche Familien war das ein glücklicher Tag. Ihre Angehörigen sind frei – nach Wochen nervenzermürbender Geiselhaft irgendwo in der Sahara. Für zehn andere deutsche Familien war es ein ganz schwarzer Tag. Ihre Lieben bleiben vermisst, und die Angst um sie wächst. Die gewaltsame Befreiungsaktion bringt sie erst richtig in Lebensgefahr, ihre Entführer sind gewarnt.

Und die Millionen anderer Deutschen? Denen zeigt der Terror mitten in ihrem Alltag wieder einmal überraschend seine Fratze. An gleich zwei Tagen hintereinander. In Saudi-Arabien fliegen Wohnhäuser westlicher Ausländer in die Luft. Und die halb glücklichen, halb traurigen Nachrichten über die insgesamt 32 ausländischen Geiseln in Algerien rücken erst richtig ins Bewusstsein, dass es keine Sicherheit gibt – auch nicht für Touristen, die nur friedlich die Wüste durchqueren wollen. Anders als im Sommer 2000 bei der Entführung der Wallerts durch die islamistische Abu Sayyaf auf Jolo wurde über das Drama in der Sahara lange wenig berichtet. Im Interesse der Geiseln.

Erst die Anschläge in New York, dann auf Touristen im tunesischen Djerba, auf Bali und in Kenia, Selbstmordattentate in Israel, dazu das Entführungsrisiko – wo überhaupt können Menschen noch ungefährdet Urlaub machen? Gibt es denn keine Sicherheit vor Al Qaida? Hört diese diffuse Bedrohung denn nie auf?

Doch halt – gehören die Bilder aus Saudi-Arabien und Algerien, die sich jetzt in den Nachrichten und unseren Köpfen ineinander schieben, überhaupt zusammen? Die Sahara-Entführer seien Islamisten und hätten Kontakte zu Al Qaida – sagt Algeriens Regierung, die ein schwieriger Partner ist und ihre eigenen innenpolitischen Interessen verfolgt. Wer alles in einen Topf wirft, kann weder den internationalen Terrorismus wirksam bekämpfen noch den Bürgern raten, wie sie sich im Ausland schützen. Die Gefahrenabwehr beginnt mit Aufklärung – und dem Versuch, das schwer durchschaubare Knäuel in vielen Teilen der Welt zu entwirren: Was ist Geiselnahme zur Lösegelderpressung, also „normale“ Kriminalität, was politischer Kampf um regionale Unabhängigkeit von der Zentralregierung, wie viel Ideologie, auch Islamismus ist wo im Spiel, und was wird wirklich von einem Terrornetz wie der Al Qaida gesteuert?

Die Bürger können ihr Risiko begrenzen, indem sie ihre Reiseziele sorgfältig wählen. Wer sich für die touristischen Reize und die Sonne der islamischen Welt entscheidet, wählt ein höheres Risiko. Und im Falle eines Falles können westliche Regierungen nur wenig für ihre Bürger tun. Die Kooperation mit islamischen Ländern bei der Verbrechensbekämpfung ist leider begrenzt. Und sie gehorcht anderen Regeln als hier, wo das Leben des Individuums Vorrang hat.

Den internationalen Kampf gegen den Terror können nur Regierungen führen. Gemeinsam. Er zeigt Wirkung, führt aber auch zu neuen Risiken. Afghanistan wurde der Al Qaida als Operationsbasis entzogen. Amerikas militärische Überlegenheit im Irak hat die islamische Welt teils beeindruckt und eingeschüchtert, teils zu neuem Widerstand aufgestachelt. Der Fahndungsdruck gegen Al Qaida ist enorm gewachsen. Und hier in Europa so groß, dass Anschläge während des IrakKriegs verhindert wurden. Das gilt auch für Amerika. Die Welt teilt sich in Gegenden, wo man relativ sicher ist, und andere, wo der Terror zuschlagen kann. Wo die Regierungen selbst mit Polizeistaatmethoden ihr Land nicht befrieden.

Die Zonen der Sicherheit ausdehnen – das geht nicht allein mit Gegengewalt und Militär. Die einzige nachhaltige Methode ist der Export von Demokratie und Rechtsstaat. Mit Nachdruck.

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