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Ukrainische Soldaten fahren in einem Panzer in der Nähe einer Frontlinie.

© Reuters/Sofiia Gatilova

„Kurzsichtig und gefährlich“: Top-Ökonomen kritisieren geplante Kürzung der Hilfen für die Ukraine scharf

Die Ampelkoalition will Kiew die Mittel im Kampf gegen Russland halbieren. Wirtschaftsexperten reagieren einem Bericht zufolge mit Fassungslosigkeit und sehen ein „fatales Signal“.

Stand:

Die geplante deutliche Reduzierung der militärischen Unterstützung Deutschlands hat viel Wirbel ausgelöst. Schon der erste vom Kabinett im Juli beschlossene Regierungsentwurf für den Etat 2025 sah einen Betrag von vier Milliarden Euro vor; dies bleibt offenbar auch im am Freitag beschlossenen neuen Kompromiss der Ampel bestehen.

Zwar hatte die Bundesregierung bereits für 2024 auch mit vier Milliarden Euro geplant, der Bundestag hatte diesen Betrag aber auf knapp 7,5 Milliarden Euro aufgestockt.

Der neue Entwurf der Ampelkoalition für den Bundeshaushalt im nächsten Jahr stößt nun einem Medienbericht zufolge unter führenden deutschen Wirtschaftsforschern auf ungewöhnlich scharfe Kritik.

„Ich bin einigermaßen fassungslos, dass hier offenbar der Koalitionsfrieden auf Kosten der Ukraine und der europäischen Sicherheit gerettet werden soll“, sagte Moritz Schularick, der Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“). Für einen vergleichsweise kleinen Betrag in der überragenden sicherheitspolitischen Frage in Europa die Handlungsfähigkeit Deutschlands zu gefährden, sei „kurzsichtig und gefährlich“.

Es ist schwer nachvollziehbar, dass die finanzielle Unterstützung der Ukraine nicht deutlich erhöhte wird, ganz unabhängig von der Frage, ob Einkünfte aus russischem Vermögen herangezogen werden können.

Clemens Fuest, Ifo-Präsident

Die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Monika Schnitzer, sprach demnach von einem „fatalem Signal“ an Russland. Die Kürzung könne für Deutschland, zum Beispiel durch weitere Ukraine-Flüchtlinge, zu Folgekosten führen, die weitaus höher seien als die jetzt eingesparten Mittel.

50
Milliarden Dollar soll die Ukraine durch einen G-7-Kredit erhalten.

Ifo-Präsident Clemens Fuest sagte, man müsse kein Experte für Sicherheitspolitik sein, um zu verstehen, dass die erfolgreiche Verteidigung der Ukraine im dringenden Interesse Deutschlands liege. „Deshalb ist es schwer nachvollziehbar, dass die finanzielle Unterstützung der Ukraine nicht deutlich erhöhte wird, ganz unabhängig von der Frage, ob Einkünfte aus russischem Vermögen herangezogen werden können“, so Fuest.

Kompensation durch eingefrorenes russisches Vermögen?

Die Bundesregierung setzt darauf, dass die Kürzung der eigenen Hilfen durch einen internationalen 50-Milliarden-Dollar-Kredit kompensiert wird. Dieser soll mit den Erträgen aus eingefrorenem russischen Vermögen finanziert werden. Die G-7-Staaten haben dieses Vorgehen beschlossen.

Das Finanzministerium sagte dazu: „Damit wird zukünftig die bilaterale Hilfe aus Deutschland teilweise in internationale Programme überführt.“ Schularick kritisierte, es sei aber unklar, wann genau das Geld aus den russischen Vermögen zur Verfügung stehe.

Die Planungen der Ukraine-Mittel soll Kanzler Olaf Scholz (SPD) gemeinsam mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) angewiesen haben, so das Blatt. Das Finanzministerium hatte am Samstag erklärt, dass es weiter gesprächsbereit sei, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete. Dazu müssten Bedarfe aber konkret gemeldet und nachvollziehbar sein – bislang liege keine Bedarfsmeldung vor, so ein Sprecher.

„FAZ“ und dpa zitierten aus einem Brief von Lindner an Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne): „Neue Maßnahmen“ dürften nur eingegangen werden, wenn in den Haushaltsplänen für dieses und die kommenden Jahre „eine Finanzierung gesichert ist“. Zudem: „Bitte stellen Sie sicher, dass die Obergrenzen eingehalten werden.“

Lindners Berater betont, es werde alles getan, der Ukraine zu helfen

Lars Feld, Lindners ökonomischer Berater, betonte dem Bericht der Zeitung zufolge, der Finanzminister habe doch mehrfach klargemacht, dass alles Notwendige für die Ukraine unternommen und finanziert werde. „Wenn ein Finanzierungsweg nicht funktionieren sollte, findet sich im Haushalt Spielraum. Der Bundeshaushalt ist ja groß genug“, sagte Feld.

Jens Südekum, Volkswirt aus Düsseldorf und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des SPD-Wirtschaftsforums, sieht in der Mittelkürzung demnach „keinen Wortbruch gegenüber der Ukraine“. Deutschland bleibe nach den USA der größte Unterstützer der Ukraine.

Er zeigte sich zudem zuversichtlich, dass die Ukraine dank des zugesagten 50-Milliarden-Kredits „nächstes Jahr insgesamt nicht weniger, sondern mehr Geld zur Verfügung hat als dieses Jahr“. Es sei legitim zu sagen, dass Kiew noch deutlich mehr finanzielle Unterstützung brauche. Das sei allerdings nur durch ein abermaliges Aussetzen der Schuldenbremse möglich gewesen. „Aber das war mit der FDP eben nicht zu machen“, sagte Südekum.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, mahnte die Bundesregierung, in ihrer Unterstützung der Ukraine nicht nachzulassen. Der „Bild am Sonntag“ sagte er: „Die Sicherheit Europas hängt von der Fähigkeit und dem politischen Willen Deutschlands ab, weiterhin eine Führungsrolle bei der Unterstützung der Ukraine zu spielen.“

Die Ukraine hoffe, dass die Bundesregierung Wege zur Finanzierung der gemeinsamen Sicherheitsbedürfnisse finde werde und „dass der Bundestag sein Machtwort für den Haushalt 2025 stark und klar sprechen wird“.

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