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Jetzt geht’s rund. Streit im schleswig-holsteinischen Landtag droht zur Neufassung des Wahlgesetzes, über die Festlegung des Wahltermins und über die aktuelle Haushaltspolitik. Und dann beginnt auch schon sehr bald der Wahlkampf.

© Angelika Warmuth/dpa

Schleswig-Holstein: Landesregierung auf Abruf

Das Landesverfassungsgericht in Schleswig kippt das Wahlgesetz – und fordert eine Neuwahl bis 2012. Die Ein-Stimmen-Regierungsmehrheit von CDU und FDP hat zwar weiter Bestand, genießt aber nur noch ein befristetes Dasein.

Das Landeswahlgesetz in Schleswig-Holstein entspricht in Teilen nicht der Verfassung, die jetzige Zusammensetzung des Landtages widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz – das sind die Kernthesen der Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes in Schleswig. Die sieben Richter und Richterinnen haben den jetzigen Parlamentariern auferlegt, binnen neun Monaten das Wahlgesetz zu ändern und dann bis spätestens 30. September 2012 Neuwahlen zu terminieren.

Der Verwirrung um die Ausgleichs- und Überhangmandate der Wahl vom 27. September 2009 und deren Zählweise mündet also in einem vorzeitigen Urnengang, denn regulär hätte erst wieder 2014 gewählt werden müssen. Streng genommen besitzt der Regierungsapparat von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) nach dem Richterspruch eigentlich keine Legitimation. Um diesen Zustand wieder ins Rechtmäßige zu kehren, wurden den Landesparlamentariern von den Verfassungswächtern genaue Fristen gesetzt. Somit hat die Ein-Stimmen- Regierungsmehrheit von CDU und FDP zwar Bestand, genießt aber nur noch ein befristetes Dasein. Die Linke scheiterte in Schleswig damit, eine sofortige Änderung der Sitzverteilung im aktuellen Landtag durchzusetzen, die sie anmahnte, weil CDU und FDP trotz geringerer Zahl an Zweitstimmen gegenüber den vier Oppositionsparteien über 48 Mandate verfügen und damit über einen Sitz mehr als SPD, Grüne, Linke und SSW. Nach dem komplizierten Wahlrecht wurden nur acht von elf Überhangmandaten für die CDU bei den anderen Parteien durch Ausgleichsmandate kompensiert. Ein Vollausgleich hätte den jetzigen Oppositionsparteien 51 Mandate und den jetzigen Regierungsparteien nur 50 Sitze beschert.

Grüne und die Partei der dänischen Minderheit, der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), die eine Normenkontrollklage gegen das Wahlgesetz eingereicht hatten, zeigten sich zufrieden und sprachen von einem guten Tag und einem Triumph für die Demokratie. Grünen-Fraktionschef Robert Habeck befürchtet allerdings, dass der Alltag in der Landespolitik künftig schwieriger zu bewältigen sein werde. Bereits zur Neufassung des Wahlgesetzes, über die Festlegung des Wahltermins und über die aktuelle Haushaltspolitik droht heftiger Streit.

SPD-Landeschef Ralf Stegner sprach von einem „klugen Urteil“ und einer Carstensen-Regierung auf Abruf. Für die Union konstatierte deren Fraktionschef Christian von Boetticher, die jetzige Regierung bleibe weiter handlungsfähig. Er erklärte nur, er wolle jetzt mit Nachdruck auf die Konsolidierung des Landeshaushaltes hinarbeiten. Carstensen, der Fragen nach seiner erneuten Kandidatur für das Ministerpräsidentenamt auswich, kündigte am Montagabend vor dem Landesvorstand der CDU an, er werde nächsten Monat nicht mehr für den Parteivorsitz kandidieren, sondern von Boetticher als seinen Nachfolger vorschlagen. Vor einer Woche hatte er noch seine Bereitschaft signalisiert, Parteichef zu bleiben. Damit stehen alle Zeichen auf einen Generationenwechsel. Für eine mögliche Spitzenkandidatur wird neben Boetticher allerdings auch der Wirtschaftsminister Jost de Jager gehandelt.

Nicht einverstanden mit den Neuwahlen zeigte sich Landtagspräsident Torsten Geerdts (CDU). Er habe ein anderes Rechtsverständnis. Der Kieler Politologe Joachim Krause äußerte ebenfalls Bedenken. Eine vorzeitige Auflösung eines Parlamentes durch die Justiz kenne er eigentlich nur aus Bananenrepubliken. Krause sprach davon, dass die verfassungsmäßigen Rechte des Landesparlaments durch das Schleswiger Gericht beschnitten worden seien. Ein Landtag könne sich nur selbst oder über die Vertrauensfrage des Regierungschefs auflösen. Einen vergleichbaren Fall gab es tatsächlich erst ein Mal – 1991 in Hamburg wegen gravierender Mängel bei der Kandidatenaufstellung der CDU.

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