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Lateinamerika: Der Weichspüler

Quer durch Lateinamerika lässt sich die Linke von Joao Santana beraten – er setzt auf Harmonie und Emotion und nicht auf Klassenkampfparolen.

Zehn Minuten dauerte die Rede an die Nation von Dilma Rousseff, und anschließend gestand sogar die bürgerlich-oppositionelle Zeitung „O’Globo“ ein, es habe an ihr nichts auszusetzen gegeben. Sie trug die Handschrift von Joao Santana, dem Guru der lateinamerikanischen Linken. Von Rousseff über Hugo Chávez bis Mauricio Funes vertrauten sich die Staatschefs des Kontinents dem Brasilianer aus Bahía an. Ihm eilt der Ruf voraus, ein Magier der Kommunikation zu sein. „Jede Wahl ist ein Machtkampf, eine Schlacht bis aufs Blut“, sagt Santana. „Er setzt seine Stiche gegen die Gegner mit der Präzision eines Akupunkteurs“, schrieb die Zeitschrift „Veja“ über ihn. Für Rousseff hat er unter anderem den Slogan für das soziale Hausbauprogramm entworfen: „Mein Haus, mein Leben“. Der Vorschlag des Ministeriums war: „Ein Haus für alle“.

Angefangen hat der untersetzte Mann mit dem Lockenkopf und der eckigen Brille als Songwriter, dann studierte er an der US-Universität Georgetown, schließlich wurde er Journalist und gewann sogar einen Preis für eine Recherche über die Korruption des später abgesetzten Präsidenten Fernando Collor de Melo. Inzwischen ist er Multimillionär, hat die US-Politberater in Lateinamerika fast vom Markt verdrängt und streckt seine Fühler nach Italien und Afrika aus.

Seine Handschrift ist unverkennbar: „Lulinha, paz e amor“ war die siegreiche Kampagne des späteren Präsidenten Luiz Inácio „Lula“ da Silva 2002, die Santana damals noch im Team von Duda Mendoca mitmachte und die zum Wendepunkt seines Lebens wurde. Als sein Vorgesetzter Mendoca drei Jahre später in einem Korruptionsskandal von Lulas Arbeiterpartei in Ungnade fiel und vor Gericht landete, sprang Santana bei der Wiederwahlkampagne Lulas in die Bresche. Er ließ arme Jugendliche aus den Favelas über Zukunftsperspektiven fabulieren und warf der Opposition vor, Sozialprogramme abschaffen und lukrative Staatsbetriebe privatisieren zu wollen. Innerhalb kürzester Zeit gelang es ihm damit, das durch den Skandal angeschlagene Image Lulas aufzupolieren. Konsequent hat der 60-jährige ehemalige Jesuitenschüler seither die Linke weichgespült; er setzt auf Emotionen statt auf Programm, auf Harmonie statt auf Klassenkampf.

Wo Joao Santana mitmischt, fällt er mit einem Tross von Journalisten, Kameraleuten, Meinungsforschern und Webdesignern ein. Konstant misst er per Umfragen die Reaktion auf seine Kampagnen. Er kassiert siebenstellige Dollarsummen pro Kampagne. Nicht alle mögen seinen Stil. In El Salvador grummelte die linke Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) über die soften Spots für ihren Präsidentschaftskandidaten Mauricio Funes.

Doch der Erfolg gibt seiner „Friede, Freude, Eierkuchen“-Strategie recht: Funes siegte ebenso wie Danilo Medina in der Dominikanischen Republik. Auch Hugo Chávez’ letzter Wahlkampf in Venezuela – „Chávez, im Herzen des Volkes“ – stammte aus der Feder Santanas, ebenso wie ein Spot für die Kampagne des Chávez-Nachfolgers Nicolás Maduro – „Chávez wird wiedergeboren“. Aber nicht nur linke Politiker vertrauen sich dem brasilianischen Königsmacher an; auch die rechten Unternehmerpräsidenten Ricardo Martinelli in Panama und Sebastián Piñera in Chile sollen seinen Rat gesucht haben, um ihr Image zu verbessern. Beide gäben sich jetzt viel versöhnlicher, haben Analysten festgestellt.

Santana selbst liebt es diskret, nur wenige Interviews hat der brasilianische Publizist bisher gegeben. „Politik hat Elemente aus dem Theater, der Musik, und sogar religiöse Riten“, sagte er der „New York Times“. „Wir bringen die Menschen dazu, Politik ohne Gewissensbisse zu mögen.“ Die hat er selber offenbar auch nicht. Warum er demokratisch so zweifelhafte Kandidaten wie Chávez oder Eduardo Dos Santos in Angola geholfen habe, ihr Image zu verbessern, wollte die „Folha de Sao Paolo“ von ihm wissen. „Die Antwort der Wähler auf die Kampagne sagt alles“, entgegnete er knapp.

Auch seine Geschäftspraktiken standen am Pranger. Nach El Salvador wurde er von Lula geschickt, gedacht als „Bruderhilfe“ für die FMLN. Dort bekam seine Agentur nach Funes’ Wahlsieg per Präsidialdekret sämtliche Regierungs-Werbeetats zugeschlagen – ohne Ausschreibung. Erst als das Onlineportal „El Faro“ es enthüllte, änderte sich das. Da hatte Santana aber schon mehrere Millionen Dollar gescheffelt. In Vorleistung zu gehen in Erwartung eines Auftrags sei eine übliche Geschäftspraxis, kommentierte der Politikberater.

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