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Lateinamerika: Mexiko und Brasilien wollen Führungsrolle stärken

Die bisherige Rio-Gruppe und die Gemeinschaft karibischer Staaten schließen sich in den kommenden zwei Jahren zusammen. USA und Kanada sollen dem Bündnis von "historischer Tragweite" nicht angehören.

Erst hagelte es Beleidigungen, dann waren sich die Teilnehmer des Lateinamerikagipfels im mexikanischen Cancun doch einig: Die regionale Integration soll weiter vorangebracht werden – und zwar ohne die USA. „Wir haben beschlossen, die Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten als eigenes Regionalforum ins Leben zu rufen“, sagte am Dienstag bei der Abschlusspressekonferenz der gastgebende mexikanische Präsident Felipe Calderon – eigentlich ein enger Verbündeter Washingtons.

Die neue Instanz solle politische Absprachen erleichtern und die nachhaltige Entwicklung fördern, fügte er hinzu, und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ergänzen. 2011/12 sollen die bisherige Rio-Gruppe und die Gemeinschaft karibischer Staaten fusionieren und das neue Bündnis seine Arbeit aufnehmen. Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva sprach von einem „Beschluss historischer Tragweite“, Venezuelas Staatschef Hugo Chavez erklärte, damit sei der Traum des Befreiers Simon Bolivar vom geeinten Südamerika wieder aufgelebt.

Die Abschiedserklärung wurde auch von Kolumbien und Venezuela unterschrieben, obwohl sich deren Präsidenten zuvor bei einer Sitzung schwer in die Haare bekommen hatten. Die beiden ideologischen Gegenspieler stritten sich um die US-Militärbasen in Kolumbien, in denen Chavez eine persönliche Bedrohung sieht und wegen der er den beiderseitigen Handel eingefroren hat. „Geh zum Teufel“, sagte Chavez laut Delegationskreisen, und Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe soll ihm erwidert haben, „steh deinen Mann und bleib hier“. Beigelegt wurde der Streit durch eine Freundschaftsgruppe, die fortan zwischen den beiden vermitteln soll.

Für das neue Forum hatten sich die Regionalmächte Mexiko und Brasilien eingesetzt in der Hoffnung, ihre jeweilige Führungsrolle dadurch zu stärken. Venezuela und Kuba – das nach der Revolution 1962 auf Druck Washingtons aus der OAS ausgeschlossen wurde – sprachen sich gar für die Auflösung der OAS aus, was jedoch den meisten übrigen Teilnehmern zu weit ging.

Obwohl der Lateinamerikaberater der US-Regierung, Arturo Valenzuela, erklärte, Washington habe nichts gegen solche neuen Initiativen, ist der Beschluss ein Rückschlag für US-Präsident Barack Obama, der noch voriges Jahr eine neue Ära in den US-lateinamerikanischen Beziehungen versprochen hatte. Die schwankende Haltung Washingtons zum Putsch in Honduras und die Installation von Militärbasen in Kolumbien gegen den Willen der meisten Nachbarländer hat das Verhältnis rasch getrübt. Der 1948 gegründeten OAS, in der auch die USA und Kanada vertreten sind, droht dadurch weiter an Bedeutung zu verlieren. Der OAS haftet seit dem Kalten Krieg der Ruf an, ein Machtinstrument der USA zu sein. Initiativen wie die kontinentale Demokratie- Charta blieben angesichts der im Ernstfall auf ihre Souveränität pochenden Mitgliedstaaten Papiertiger; auch die Intervention des OAS-Generalsekretärs Jose Miguel Insulza gegen den Bruch der demokratischen Ordnung in Honduras im vorigen Jahr verlief erfolglos. Ob freilich die neue Organisation den Herausforderungen gewachsen sein wird, muss sich erst noch weisen. Die ideologischen Gegensätze bleiben bestehen. Die kontroversen Ansichten Lateinamerikas über die Vorgänge in Honduras standen jedoch wohlweislich nicht auf der Agenda in Cancun – der im November gewählte honduranische Präsident Pepe Lobo war erst gar nicht erst eingeladen worden.

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