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Politik: Leichter Vorteil für den Bund

Erster Tag der großen Föderalismus-Anhörung: Zustimmung im Ganzen, teils scharfe Kritik im Detail

Berlin - Das Kanzleramt hatte die Minister in die Pflicht genommen. Schließlich ist die Sache wichtig, also auch das persönliche Erscheinen. Und so nahm am Montagmorgen fast das gesamte Kabinett samt Kanzlerin im Bundestagsplenum Platz, nur um zuzuhören. Die fünf Fraktionschefs saßen – ein seltenes Bild – in einer Reihe und hörten auch zu. Denn das Wort bei der großen Anhörung zur Föderalismusreform hatten vor allem zehn Professoren und der Landtagspräsident Alois Glück aus Bayern. Sie sollten ihre Meinung sagen zu der Verfassungsreform, die als die größte seit 1969 gilt. Und so ist auch die Expertenanhörung – insgesamt sieben Tage bis Anfang Juni, mit hundert geladenen Experten – eine der größten in der Parlamentsgeschichte.

Die Versammelten waren sich nicht fremd. Viele Politiker und Sachverständige waren schon an der Vorbereitung der Reform in der Föderalismuskommission beteiligt. Unabhängig davon, von welcher Partei und welcher Kammer sie geladen waren, zeigten sich die Experten in einem Punkt einig: Insgesamt sei die Reform nötig und im Kern auch gelungen. Doch im Detail war teils deutliche Kritik zu hören. Der Frankfurter Jurist Joachim Wieland brachte das Dilemma einer Verfassungsreform auf den Punkt, die nicht aus dem politischen Nichts entsteht, sondern aus dem Geben und Nehmen der Beteiligten: „Ein Kompromiss ist nie so schön, wie es eine Lösung aus einem Guss wäre.“

Doch was bringt die Reform dem Bürger? „Das hat mich heute auch der Taxifahrer gefragt“, sagte der Münchner Staatsrechtler Peter M. Huber auf diese Abgeordnetenfrage. Seine Antwort: Entscheidungen würden dank der Entflechtung von Bundestag und Bundesrat schneller, die Transparenz wachse (woran die Politologin Ursula Münch zweifelte), die Effektivität der Gesetzgebung und der Vertretung Deutschlands bei der EU werde besser, einige Reformschritte wirkten der Staatsverschuldung entgegen. Und was sagte der Taxifahrer? Der wolle sich die Sache nochmals durch den Kopf gehen lassen, meinte Huber.

Das werden wohl auch die Verantwortlichen in Bundestag und Bundesrat tun. Denn einige Punkte wurden von den Experten sehr ungnädig kommentiert – vor allem die von SPD, FDP, Grünen und Linkspartei Benannten äußerten Kritik, weniger die von Union und Bundesrat Geladenen. Hans Meyer (Humboldt-Universität) und Christoph Möllers (Göttingen) wollten nicht einsehen, warum dort, wo die Länder künftig von Vorgaben aus Berlin abweichen dürfen (etwa in der Umweltpolitik), Bundesgesetze erst ein halbes Jahr nach Beschluss in Kraft treten dürfen, damit die Länder Zeit für eigene Regelungen haben. Das sei „parlamentswidrig“, wetterte Meyer. Und wie ist es nach dem Abweichen – soll ein Landesgesetz Vorrang behalten, wenn der Bund wieder neu regelt? Ferdinand Kirchhof (Tübingen) empfahl das, während Christian Pestalozza (Berlin) von einer „monströsen Regel“ sprach. Mehrheitlich meinten die Experten, der Bund gewinne bei der Reform etwas mehr als die Länder. Landtagspräsident Glück wies denn auch darauf hin, für die Länder sei mit dem Entwurf die Grenze erreicht. Am Existenzrecht der Länder zweifelte keiner der Professoren. Und wenn man Föderalismus wolle, so lautete die einmütige Meinung, müsse man auch Unterschiede akzeptieren.

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