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Politik: Lidschatten ohne Fell

In der EU darf nur noch Kosmetik ohne Tierversuche verkauft werden

Von Ulrike Scheffer, Strassburg,

und Dagmar Dehmer

Für einen neuen Lidschatten soll in der Europäischen Union von 2009 an kein Tier mehr leiden müssen. Am Mittwoch stimmte das Europäische Parlament der neuen Kosmetikrichtlinie zu. Neue Kosmetika dürfen danach nicht mehr auf den Markt gebracht werden, wenn für deren Entwicklung Tierversuche stattgefunden haben. Das gilt auch für Produkte, die außerhalb der EU hergestellt werden, beispielsweise in den USA oder Japan. Für einige wenige Testverfahren gilt eine Ausnahmeregelung bis 2013. Dabei geht es um Tests, mit denen die langfristige Giftigkeit von Stoffen oder ihr erbgutveränderndes Potenzial ermittelt werden soll.

Bereits im kommenden Jahr müssen Kosmetika mit einem Haltbarkeitsdatum versehen werden, Inhaltsstoffe, die Allergien auslösen können, müssen ebenfalls auf der Verpackung angegeben werden. Dabei geht es vor allem um Duft- oder Riechstoffe, die in einer Liste von insgesamt 26 problematischen Stoffen aufgeführt sind. Neben chemisch hergestellten Substanzen stehen auch Lavendel und Bergamotte auf der EU-Liste. Einige Stoffe, die möglicherweise krebserregend sind, werden ganz verboten.

Corina Gericke, Sprecherin des Verbands „Menschen für Tierrechte“, bezeichnete den Beschluss als „faulen Kompromiss“. Schließlich werde sich in den kommenden sechs Jahren gar nichts ändern. Jährlich würden rund 40 000 Tiere für Kosmetikexperimente in der EU getötet, kritisierte Gericke. Die Europaabgeordnete Dagmar Roth-Behrendt (SPD) verteidigte die Richtlinie: „Das, was wir jetzt erreicht haben, war nur möglich, weil wir alle Beteiligten an Bord genommen haben.“ Sie wies darauf hin, dass es noch zu wenige anerkannte alternative Testmethoden gebe. „Deshalb muss man der Industrie eine Übergangsfrist einräumen“, sagte sie. Gleichzeitig verlangte Roth-Behrendt, dass die EU nun auch zügig neue Testmethoden überprüfe und anerkenne. Gericke sagte, die Anerkennung alternativer Tests dauere derzeit zwischen fünf und zehn Jahren. Sie kritisierte, dass die Ergebnisse alternativer Verfahren, wie Tests mit Zellkulturen, noch immer mit Daten aus Tierversuchen verglichen würden, obwohl diese ungenauer seien.

Angesichts des Widerstands der Industrie und der befürchteten Probleme mit der Welthandelsorganisation (WTO) sagt Roth-Behrendt dennoch: „Es ist das Beste, was wir erreichen konnten.“ EU-Industriekommissar Erkki Liikanen lobte den Kompromiss: „Mit dieser neuen Richtlinie ist ein klarer Rahmen für Versuche mit Tieren gesetzt. Das ist eine deutliche Verbesserung für das Wohlergehen der Tiere – und auch für die Verbraucher.“ Die neue Regelung biete der Industrie Planungssicherheit, wenn sie nun in die Entwicklung alternativer Testmethoden investiere. Die Sorge der Industrie, durch die Kennzeichnungspflicht ihre geheimen Rezepturen für Kosmetika preisgeben zu müssen, teilte das Europaparlament nicht.

Die Debatte um ein Tierversuchsverbot dauerte zehn Jahre. Schuld daran ist vor allem die Industrie, die nur mit Neuheiten Chancen sieht, neue Anteile am gesättigten Kosmetikmarkt zu erringen. Deshalb konnten sich Tierschützer mit dem Argument, 8500 getestete Inhaltsstoffe für Kosmetika seien eigentlich genug, nicht durchsetzen. Übrigens stehen nur 0,3 Prozent aller Tierversuche im Zusammenhang mit Kosmetika.

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