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Terrorabwehr: Lückenlose Kontrolle

Ein Forschungsprojekt der EU-Kommission entwickelt eine Flugpassagierüberwachung zur Terrorabwehr. Kameras und Mikrofone registrieren das Verhalten der Passagiere.

Der Mann, der am 15. Januar vergangenen Jahres durch die Abflughalle des ungarischen Flughafens Debrecen strich, ließ keine Ecke aus. Konzentriert erkundete er jeden Winkel der Lounge, sah sich immer wieder um. Zwischendurch mischte sich der dunkel gekleidete Passagier unter eine kleine Gruppe anderer Fluggäste, wie um einer Überwachung zu entgehen. Er entging ihr nicht.

In jeder Sekunde hatten die Sicherheitstechniker den potenziellen Terroristen digital in ihrem Überwachungssystem. Kleine Lesegeräte schickten seine Daten permanent auf ihren Rechner, Kameras hatten ihn fest im Blick. Echtzeit-Lokalisierung nennen die Forscher das, was in Debrecen im Testlauf simuliert wurde: Jeder eingecheckte Passagier soll dabei mithilfe eines Chips auf der Bordkarte jederzeit und überall auf dem Flughafen aufgespürt werden können.

Seit Februar 2004 erforschen im Auftrag der EU-Kommission Technikexperten aus ganz Europa neue Überwachungssysteme für Flughäfen und Flüge. Die Forscher testen, was technisch möglich ist; politisch aussieben will die Kommission erst später. Während sich das Bundesverfassungsgericht noch mit Massenklagen gegen die von der EU-Kommission auf den Weg gebrachte Vorratsdatenspeicherung aller deutschen Telefonate befasst, bereitet die Kommission die nächste Kontrollstufe zur Terrorabwehr vor.

Die Frau auf Platz 7D leckt sich ständig über die Lippen, der Fluggast auf 21A rollt immer wieder die Augen: Eine Kamera registriert jede Bewegung, nervöses Verhalten filtert das angeschlossene Computerprogramm heraus, stiller Alarm wird ausgelöst. Unter dem Titel „Safee“ erproben die Experten im Rahmen des Forschungsprogramms auch die fast lückenlose Überwachung von Passagieren während eines Fluges. Mit Hilfe von Kameras und Mikrofonen soll jeder Fluggast beobachtet, verdächtiges Verhalten sofort erfasst werden. Die Daten fließen in ein von Verhaltenspsychologen entwickeltes Mimikprogramm, analysiert dieses Gefahr, nehmen die Skymarshals vorsorglich Haltung an.

Erprobt wird auch eine Bordkarte mit biometrischem Gesichtsbild. Sie soll sicherstellen, dass derjenige, der am Schalter eingecheckt hat, auch der ist, der ins Flugzeug einsteigt. Ein Sensor könnte zudem in den Flugzeugtoiletten chemische Reaktionen melden. Sollte jemand über dem Waschtisch Chemikalien mischen, würden die dort installierten Kameras ausgelöst. Noch ein Projekt ist die Fernsteuerung entführter Maschinen. Ein Rechner würde vom Boden aus das Flugzeug zum nächsten Airport steuern.

Im April läuft das 35,9 Millionen Euro umfassende Forschungsprogramm aus, in das europäische Firmen und Universitäten eingebunden sind (darunter Airbus, EADS, Siemens, die Bundesanstalt für Materialforschung). Voraussichtlich soll die Forschungsphase aber verlängert werden.

Der deutsche FDP-Abgeordnete im EU-Parlament, Alexander Alvaro, beobachtet das Programm jetzt schon mit großer Skepsis. „Mehr als grenzwertig“, nennt Alvaro einige der Tests. „Das geht weit über das hinaus, was uns bisher vorstellbar erschien“. Alvaro dringt darauf, dass Projekte solcher Dimension nicht (wie etwa beim Verbot von Flüssigkeiten auf Flügen) von der Kommission per Richtlinie entschieden werden. „Sowohl das EU-Parlament als auch der europäische Datenschutzbeauftragte müssen beteiligt werden“, fordert Alvaro.

Die Echtzeit-Lokalisierung, die bummelnde Passagiere im Duty Free aufspüren sowie verdächtige Passagiere im Blick behalten soll, gilt derzeit übrigens als nicht ausgereift. Und von einem Vorschlag, Kameras in die Rückseite der Vordersitze einzulassen, haben die Techniker wohl ganz Abstand genommen. Das Lesen einer großformatigen Zeitung würde da schon zum Sicherheitsrisiko.

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