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Maas gegen Google: Das Wahre und die Ware

Bundesjustizminister Maas fordert mehr Transparenz beim Algorithmen-Einsatz der Digitalwirtschaft - zu Recht. Nutzer sollten die Kriterien kennen, nach denen ihnen die Welt vorsortiert wird. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Der Justizminister wäre nicht er selbst, würde er nicht trotz Ablauf des Legislaturprogramms in einer von ihm selbst so titulierten Grundsatzrede ein Fass aufmachen, aus dem die SPD im Wahlkampf schöpfen soll. Nach dem Löschgesetz für Facebook und Co bei Hasskommentaren möchte Heiko Maas Sauberkeit und Ordnung in den Algorithmen-Einsatz der Digitalwirtschaft bringen. Allen voran mutmaßlich Google.

Hier wittert Maas das Potenzial für Missbrauch durch die Markt- und Datenbeherrscher und zieht eine Parallele zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Wie dieses Diskriminierung etwa wegen der Religion, des Geschlechts oder der Weltanschauung bei der Jobsuche verbiete, so sei auch an ein „digitales AGG“ zu denken. Schließlich steuerten Algorithmen das Angebot, das Nutzer im Internet serviert bekommen, von der einfachen Google-Suche bis zur Warenbestellung samt Zahlungsmodalitäten.

Algorithmen konstruieren ein Umfeld

In der Tat sind die Programme das unentbehrliche Helferlein im Webgeschäft. Ihre genaue Zusammensetzung ist das Geheimnis der Unternehmen. Erwartbar, dass deren Verbände aufschrien, als Maas sein Gesetz projektierte. Was soll gegen auf den Kunden zugeschnittene Angebote einzuwenden sein? Ist schließlich gute Tradition der Analogwirtschaft.

Eine Gleichung, die nicht aufgeht. Wer einen Werbebrief bekommt oder einen Laden aufsucht, ist in einer anderen Situation als Nutzer, für die der Aufenthalt im Web integraler Lebensbestandteil geworden ist. Algorithmen liefern mehr als nur ein Angebot, sie konstruieren ein Umfeld. Dem kann man sich theoretisch entziehen. Praktisch aber nicht. Der Waren-, Dienstleistungs- und Informationsverkehr wandert immer mehr ins Netz.

Das Netz als „diskriminierungsfreie Zone“

Ein Transparenzgebot für Algorithmen ist deshalb eine sinnvolle Forderung. Nutzer sollten Kriterien kennen dürfen, nach denen ihnen die Welt vorsortiert wird. Informationspflichten wie bei Lebensmittelangeboten könnten deshalb eine sinnvolle Ergänzung sein. Sie versetzen Nutzer in die Lage, bewusster mitzusortieren – und einen Anbieter auszusortieren, wenn ihnen seine Kriterien nicht passen. Eine solche Regelung könnte sich als Segen für Vielfalt erweisen, die im Netz unter dem Regime von Großportalen und Quasimonopolisten immer weiter schwindet. Saubere Algorithmen wären ein Wettbewerbsvorteil, mit denen die Kleineren punkten könnten.

Maas wäre nicht Maas, würde er nicht drei Regulierungsschritte machen, wo vielleicht nur einer nötig gewesen wäre. Deshalb soll zum Transparenzgebot auch gleich ein Reinheitsgebot für Algorithmen treten: das Netz als „diskriminierungsfreie Zone“. Damit wird das Thema unnötig moralisch aufgeladen. Wer Kunden systematisch und offenkundig im Sinne des AGG diskriminiert, wäre als seriöser Wettbewerber ohnehin erledigt.

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