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Geheim. Der abhörsichere Sitzungssaal des PKGr liegt im Keller des Jakob-Kaiser-Hauses des Bundestags.

© picture alliance / dpa

Geheimdienstkontrolle: „Man könnte uns komplett lahmlegen“

Im Fall Amri war er erstmals im Einsatz: der Ständige Bevollmächtigte des PKGr. Eigentlich soll er den Abgeordneten bei der Geheimdienstkontrolle helfen - doch die Opposition sieht ihre Befürchtungen bestätigt.

Der Mann ist noch immer ein Phantom. Seinen Namen kennt fast keiner, für Interviews steht er prinzipiell nicht zur Verfügung, Bilder von ihm gibt es kaum. Dabei hat Arne Schlatmann seit Januar einen wichtigen Job: Er soll den Geheimdienstkontrolleuren des Bundestags Arbeit abnehmen. Soll für die geheim tagenden Abgeordneten Akten sichten, Zusammenfassungen schreiben und Mitarbeiter der Dienste befragen. Sein Titel: Ständiger Bevollmächtigter des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr).

Bereits vor seiner Ernennung gab es aus der Opposition Kritik an Schlatmann und seiner neuen Funktion. Das langjährige CDU-Mitglied war viele Jahre als Beamter im für die Geheimdienste zuständigen Innenministerium tätig. Gut ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt liegt nun aber seine erste große Aufgabe hinter ihm: Schlatmann sollte mit seinen Mitarbeitern für Aufklärung im Fall Anis Amri sorgen, mögliches Geheimdienstversagen aufdecken und einen Bericht verfassen. Nun lässt sich erkennen, wie sich Schlatmanns Berufung auf die Geheimdienstkontrolle auswirkt.

Abgeordnete sprechen von "Nadelöhr" und "Filter"

Unstrittig ist, dass die neun Abgeordneten des Kontrollgremiums Hilfe brauchten. Die große Koalition hatte als Lehre aus den NSA- und NSU-Skandalen beschlossen, die parlamentarische Kontrolle zu stärken. Ende des Jahres soll der Stab unter Schlatmann schließlich mit 20 Mitarbeitern voll arbeitsfähig sein.

Doch die Opposition zieht nach der Arbeit keine positive Bilanz. „Wir hatten befürchtet, dass ein solcher Generalbevollmächtigter weitgehend die Kontrolltätigkeit der Abgeordneten ersetzt. Das hat sich jetzt bestätigt“, sagt der Grüne Hans-Christian Ströbele. Innerhalb von zehn Wochen hatte Schlatmann mit seinen Mitarbeitern einen Bericht angefertigt. Linke und Grüne haben seitdem Zweifel daran, dass alle relevanten Informationen bei ihnen ankommen. „Die Sorge war von Anfang an, dass der Ständige Bevollmächtigte zum Nadelöhr wird. Zu einem Filter, der Informationen von gewählten Abgeordneten fernhält“, sagt der Linke André Hahn. Wenn Schlatmann eine Akte mit 680 Seiten lese und anschließend für die Abgeordneten auf fünf Seiten zusammenfasse, könnten diese nicht überprüfen, ob die sensiblen Stellen enthalten seien. „Man könnte uns komplett lahmlegen.“

"Konkrete Kontrollarbeit wird wohl künftig wegfallen"

Als das PKGr auf Basis von Schlatmanns Ergebnissen schließlich einen Bericht zum Fall Amri vorlegte, wollten Linke und Grüne diesen nicht mittragen. Hahn kritisiert in einem Sondervotum, der Ständige Bevollmächtigte habe diverse Personen befragt. Protokolle oder Zusammenfassungen dieser Befragungen seien den Abgeordneten aber niemals vorgelegt worden. „Entgegen meiner ausdrücklichen Forderung, vorab zu erfahren, wann welche Personen befragt werden, gab es dazu nie auch nur irgendeine Information.“ Ihm sei es so unmöglich gewesen, wenigstens an ausgewählten Befragungen teilzunehmen.

Hahn und Ströbele glauben, dass das nun die Regel wird. Auf dem Höhepunkt der NSA-Aufklärung war etwa noch Ströbele selbst zum BND-Sitz nach Pullach gefahren, unangekündigt. Unzählige Stunden hatten er und andere PKGr-Abgeordnete im Kanzleramt zu verschiedenen Sachverhalten Akten gesichtet. „Diese ganz konkrete Kontrollarbeit wird künftig wohl wegfallen“, sagt Ströbele.

Clemens Binninger (CDU), der PKGr-Vorsitzende, findet die Kritik am Ständigen Bevollmächtigten in keiner Weise gerechtfertigt. „Es soll mir niemand erzählen, er kann als Abgeordneter bei jedem Kontrollschritt dabei sein. Dann hätten wir nach zehn Wochen noch keinen Bericht zum Fall Amri gehabt.“ Die Kontrolltätigkeit der Abgeordneten sei auch nicht beschnitten, da PKGr-Mitglieder die Arbeit der Taskforce um Schlatmann begleiten und immer noch die gleichen Befugnisse hätten wie vorher. Zudem sei im Fall Amri deutlich geworden, „dass wir so innerhalb kürzester Zeit sehr fundiert und sehr umfassend schwierige Sachverhalte untersuchen können“.

Ausschussvorsitzender Binninger hält die Kritik für unfair

Doch Hahn empört sich auch über den Inhalt des Berichts. „Ich bin einigermaßen fassungslos, wenn im vom Ständigen Bevollmächtigten vorgelegten Bericht gar von einem ,engagierten Behördenhandeln’ gesprochen wird. Davon kann keine Rede sein“, schreibt er in einer unveröffentlichten Passage seines Sondervotums, das dem Tagesspiegel vorliegt. Hahn kritisiert auch, Schlatmann habe „mit Blick auf die Erklärungen oder Ausflüchte der Behörden immer wieder geschrieben, diese seien angeblich nachvollziehbar“. Hahn zieht die Unabhängigkeit Schlatmanns in Zweifel. Würde dieser Informationen weitergeben, die seinem ehemaligen Chef, Bundesinnenminister Thomas de Maizière, schaden könnten? „Ein von der Koalition ausgewählter ehemaliger Ministerialbeamter bewertet in der Endkonsequenz die Arbeit seines früheren Chefs. Dass das auch nicht halbwegs objektiv erfolgen kann, liegt auf der Hand und hat sich nun auch bestätigt.“

Der Ausschussvorsitzende Binninger hält es hingegen für „mehr als unfair, ehemaligen Mitarbeitern der Exekutive zu unterstellen, sie würden ihre Aufgaben nicht sachgerecht machen, nur weil sie vorher im Ministerium gearbeitet haben. Die wechseln ja den Dienstherren.“ Das gelte übrigens auch für Mitarbeiter des PKGr, die vorher bei einem Nachrichtendienst gearbeitet hätten – solche Praktiker seien durchaus erwünscht und sollten auch per Stellenausschreibung angesprochen werden.

Hahn hingegen hätte es befürwortet, wenn die Abgeordneten zusätzliche Mitarbeiter bekommen hätten, die sie bei ihrer Kontrollarbeit unterstützt hätten. Er hätte gern einen investigativen Journalisten oder einen Computer-Experten eingestellt. Alternativ fordert Hahn, müsse mindestens ein Drittel der Mitarbeiter des Ständigen Bevollmächtigten von der Opposition mitbestimmt werden. Die Bewerbungen gehen derzeit nämlich über Arne Schlatmanns Schreibtisch.

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