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Angela Merkel

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Angela Merkel: "Meine schwerste Entscheidung"

Angela Merkel muss wegen der Konjunkturkrise ihre Konsolidierungspolitik aufgeben. Dies sei die schwerste innenpolitische Entscheidung ihrer Amtszeit gewesen, erklärt die Bundeskanzlerin.

Von Robert Birnbaum

Links vom Rednerpult im Foyer des Kanzleramts steht erst eine Deutschlandfahne, dann eine Europafahne, dann noch mal Schwarz-Rot-Gold; rechts der gleiche Flaggenstrauß. Dazwischen steht die Bundeskanzlerin im dunklen Kostüm. Für Angela Merkels Verhältnisse ist das relativ viel patriotische Symbolik. Aber der Anlass rechtfertigt ja auch eine Abweichung von der Routine, die die Verkündung von Kabinettsbeschlüssen meist dem Regierungssprecher überlässt. An diesem Dienstag verkündet die Chefin selbst.

"Wir haben heute ein Maßnahmepaket beschlossen, das es so in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben hat", sagt Merkel. Nicht in seinem Umfang, nicht in seinen Kosten. "Die schwerste innenpolitische Entscheidung meiner Amtszeit" sei es gewesen, für das Konjunkturpaket den Schuldenabbau vorerst zu beenden. Doch werde Rückzahlung und Schuldenbremse für die Zukunft zugleich vereinbart, und deshalb sei das Paket "nicht nur verantwortbar, sondern auch geboten".

Kein Umweg zur Staatsbeteiligung

Einmalig ist es in jedem Fall; und jeder hofft, dass es das auch bleibt. "Wir haben nicht die Absicht, ein drittes Paket aufzulegen", sagt ein Kabinettsmitglied. Mit der dreifachen Mixtur aus Bürgerentlastung bei Steuern und Abgaben, Bürgschaftshilfen für die Wirtschaft und direkten Staatsinvestitionen gehe die Regierung schon jetzt - was Umfang wie Instrumente angeht - "an die Grenze" des überhaupt Machbaren. Das hat es allerdings im vorigen Jahr beim ersten Bankenrettungspaket auch schon mal geheißen. Finanzminister Peer Steinbrück weiß schon, weshalb er anmerkt, er wolle kein weiteres Paket und "hoffe, ich kann auch alle anderen bremsen". Steinbrück hat nur zu gut Diskussionen wie die über eine staatliche "Bad Bank" im Ohr, die den Banken im äußersten Notfall ihre wertlosen Spekulationspapiere entsorgen könnte. Und niemand weiß, ob der äußerste Notfall nicht eintreten wird.

Dass dann auch ein Kernstück des jetzigen Konjunkturpakets deutlich an Wirksamkeit verlöre, gehört zu den weiteren Unwägbarkeiten. Der 100-Milliarden-Bürgschaftsrahmen soll die Banken dazu bringen, auf diese Staatsgarantie hin endlich wieder Firmenkredite zu gewähren. Als Umweg zur Staatsbeteiligung soll das Programm nicht dienen. Zwar mag niemand völlig ausschließen, dass der Staat im Extremfall in ein bedrohtes Unternehmen einsteigt. Aber, so ein Regierungsmann, "Ziel" der Koalition sei das ganz sicher nicht.

Der Mindestlohn für Zeitarbeiter fehlt

Ziel der Koalition war es hingegen, dass die geplanten öffentlichen Milliardeninvestitionen vorrangig in den Gemeinden getätigt werden. Bis in die Nacht hinein liefen die Verhandlungen, danach war klar: 70 Prozent der zehn Milliarden Euro, die der Bund den Ländern für Infrastrukturmaßnahmen zuschießt, müssen in den Gemeinden verbraucht werden, nur 30 Prozent dürfen in Länderprojekte gehen; 65 Prozent der Gesamtausgaben müssen für Bildungseinrichtungen fließen. Ob die Länder sich daran halten, wird im Nachhinein geprüft, Rückzahlung bei Verstößen inbegriffen.

Ein Gesetzentwurf übrigens fehlt in dem Paket, das das Kabinett verabschiedet hat: Der Mindestlohn für Zeitarbeiter. Der hat mit der Konjunktur wenig zu tun, mit der Koalitionsarithmetik um so mehr. Nach stundenlangen Verhandlungen, in denen von SPD-Seite sogar kurzzeitig die Drohung kam, das ganze Konjunkturpaket scheitern zu lassen, war am Dienstag früh klar: Da hakt es noch. Die Union lehnte alle Vorschläge von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) ab, weil sie die im Koalitionsausschuss vereinbarte Wahrung der Tarifautonomie nicht erfüllt sah. Das Thema wird jetzt weiter verhandelt; kommt eine Lösung zustande, könnte sie später noch in das Gesetzespaket eingefügt werden.

Auch eine andere, für das Gesamtpaket viel wichtigere Frage ist offen: Die nach der Schuldenbremse im Grundgesetz. Offen ist vor allem, wie mit den Altschulden der heute "armen" Länder wie Berlin oder dem Saarland umgegangen wird. Bislang war geplant, bis zum 5. Februar eine Lösung zu finden.

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