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Politik: Merkel hält die Länder kurz

Der Großteil der Mehrwertsteuererhöhung soll an den Bund gehen – zur Senkung der Lohnnebenkosten

Berlin - Reihenweise sind die Ministerpräsidenten der Union am Freitag zu spät in die Bundesratssitzung gekommen. Erst gegen zehn Uhr trudelten sie ein, und die meisten waren ungewöhnlich schweigsam. Von acht Uhr an hatten sie mit Kanzlerkandidatin Angela Merkel in der Parlamentarischen Gesellschaft zusammengesessen. Praktisch einziges Thema: Wie machen wir’s mit der Mehrwertsteuer. Der neue Stuttgarter Ministerpräsident Günther Oettinger meinte danach nur kurz: „Einigung ja, Klarheit am Montag.“ Auch der Hesse Roland Koch blieb eher still. Und Edmund Stoiber, der sich schon am Abend zuvor mit Merkel getroffen hatte, stürmte entgegen seiner Gewohnheit an den wartenden Journalisten vorbei und sagte nur: „Wir sind auf einem guten Weg.“

Es ist eher Merkels Weg. Die hatte die Ministerpräsidenten damit überrascht, die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht wie bisher jeweils etwa zur Hälfte zwischen Bund und Ländern aufzuteilen, sondern die zusätzlichen Einnahmen ganz beim Bund zu lassen und für die Senkung der Lohnnebenkosten zu nutzen. Vor allem Stoiber, aber auch Koch und Oettinger hatten sich das anders gedacht und den Länderanteil – immerhin knapp acht Milliarden Euro bei einer Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent – nicht zuletzt zur Sanierung ihrer knappen Haushalte eingeplant. Und Stoiber möchte nur zu gern bereits 2006 mit einem ausgeglichenen Haushalt glänzen.

Nun kommt es anders. Dem sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt, der Merkels Ansatz unterstützte, ist das nur recht: „Ich brauche das zusätzliche Geld nicht“, sagte er und verwies auf seine einigermaßen akzeptablen Haushaltszahlen. Es sei vernünftiger, das Steuerplus zur Senkung der Lohnnebenkosten zu verwenden. Der Kompromiss lautet nun, dass die Länder zwar einen Anteil der Steuererhöhung bekommen – die Rede ist von 10 bis 20 Prozent –, sich aber verpflichten, bei der Verwendung im Land das Ziel der Lohnkostensenkung im Auge zu behalten. Der Anteil soll im Programm nicht festgeschrieben werden.

Konkret kann das auf folgendes Modell hinauslaufen: Die Länder bekommen mehr Zuständigkeiten für die Arbeitsmarktpolitik und finanzieren zum Beispiel die Weiterbildung von Langzeitarbeitslosen. Das entlastet die Arbeitslosenversicherung, aus der solche Maßnahmen bislang bezahlt werden. Auch andere Modelle sind im Gespräch. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers verwies darauf, die Länder seien in ihrer Entscheidung frei. Milbradt betonte dagegen den Vorrang der Senkung der Lohnnebenkosten. „Es ist dann die Frage, was für andere Maßnahmen bleibt.“ Sicher ist, dass mit dem Kompromiss für das Stopfen der Haushaltslöcher nicht die von einigen Ländern erhofften Summen zur Verfügung stehen.

Die Union will schon zum 1. Januar 2006 den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung senken – wie stark, ist noch ungewiss. Gedeckt wäre dies vor allem durch die Mehrwertsteuererhöhung zum gleichen Termin, daneben durch Einsparungen. Die Union erwägt, als Erstes den so genannten Aussteuerungsbetrag zu streichen. Die Bundesagentur für Arbeit zahlt in diesem Jahr etwa 6,7 Milliarden Euro an den Bund. Dieser Betrag wird fällig, weil so viele Menschen vom beitragsfinanzierten Arbeitslosengeld I ins steuerfinanzierte Arbeitslosengeld II wechseln.

Die Arbeitgeber halten das Ziel für realistisch. „Es gibt einen klaren Spielraum, die Beitragssätze schnell zu senken“, sagte der Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Peter Clever, dem Tagesspiegel. Durch eine Beitragssenkung um einen Prozentpunkt könnten 100 000 bis 200 000 neue Stellen entstehen, sagte Clever. Milbradt sagte, die einzige Rechtfertigung für eine Mehrwertsteuererhöhung sei, damit mehr Arbeit zu schaffen.

Am Freitagnachmittag brütete das Programmteam der Union mit Merkel und Stoiber noch einmal über dem Entwurf, der am Sonntag an alle Präsidiumsmitglieder verschickt und am Montag beschlossen wird. „Jetzt wird gerechnet“, sagte der bayerische Staatskanzleichef Erwin Huber. Und fügte den Seufzer hinzu: „Wir machen es uns nicht einfach, sondern leider sehr schwer.“

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