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Politik: Merkel kann Kanzlerin werden

Schröder und Müntefering erkennen für die SPD den Anspruch der Union an CDU und CSU gestehen dafür den Sozialdemokraten acht von 14 Ressorts zu Stoiber wird Minister für Wirtschaft Erst in einer Woche Koalitionsverhandlungen Berlin - Die SPD hat den Anspruch der Union auf die Führung der Bundesregierung in einer großen Koalition akzeptiert. Damit wird der Weg für Koalitionsverhandlungen frei.

Schröder und Müntefering erkennen für die SPD den Anspruch der Union an CDU und CSU gestehen dafür den Sozialdemokraten acht von 14 Ressorts zu Stoiber wird Minister für Wirtschaft Erst in einer Woche Koalitionsverhandlungen

Berlin - Die SPD hat den Anspruch der Union auf die Führung der Bundesregierung in einer großen Koalition akzeptiert. Damit wird der Weg für Koalitionsverhandlungen frei. Führungsgremien der SPD und der Union billigten am Montag in Berlin das Ergebnis der Spitzengespräche, wonach die Union über die Besetzung des Kanzleramts entscheidet. Damit steht CDU-Chefin Angela Merkel vor der Übernahme der Regierungsführung. Union und SPD einigten sich zugleich über den Zuschnitt des Kabinetts. Danach wird die SPD in der neuen Regierung acht Minister stellen. Einschließlich der Kanzlerin und des Kanzleramtschefs im Rang eines Ministers stehen der Union ebenfalls acht Kabinettsposten zu. Ob der bisherige Bundeskanzler Gerhard Schröder einem neuen Kabinett angehören wird, ließ SPD-Chef Franz Müntefering offen. Allerdings erklärte Schröder im SPD-Parteivorstand nach übereinstimmenden Berichten von Teilnehmern: „Ich habe eine andere Lebensplanung.“ Müntefering sagte, Schröder werde weiter an den Verhandlungen teilnehmen.

Die Verhandlungspartner einigten sich nach Angaben von Merkel und Müntefering auf erste inhaltliche Punkte. Danach will die neue Regierung von 2010 an mindestens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts jährlich in Forschung und Entwicklung investieren. Die SPD konnte sich mit ihrer Forderung durchsetzen, dass die Tarifautonomie erhalten bleibt und auch Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge nicht besteuert werden. Mit Gewerkschaften und Arbeitgebern soll es aber Gespräche über betriebliche Bündnisse geben. Das Einkommensteuerrecht soll vereinfacht werden. In der Familienpolitik soll sowohl der Unionsvorschlag eines steuerlichen Grundfreibetrags für Kinder als auch der SPD-Plan eines Elterngelds geprüft werden.

Müntefering wertete das Ergebnis als Erfolg für die SPD. Die Verhandlungen würden aber noch „manchen Schweißtropfen kosten“. Sofern ein gutes Ergebnis erzielt werde, gehe er davon aus, dass ein Parteitag das Ergebnis billige und sich dann auch die SPD-Fraktion an dieses Votum gebunden fühle. Ein klares Eingeständnis, dass die SPD mit ihrer Forderung nach dem Kanzleramt gescheitert sei, vermied der SPD-Chef. Auch Schröder äußerte sich nicht zum Verzicht seiner Partei auf die Regierungsführung.

Nach der Vereinbarung erhält die SPD das Außenministerium sowie die Ressorts für Finanzen, Justiz, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gesundheit, Arbeit, Verkehr und Umwelt. Der kleinere Partner stellt auch den Vizekanzler. Die Union besetzt die Ministerien für Wirtschaft und Technologie, Innen, Verteidigung, Familie, Bildung und Forschung sowie Verbraucherschutz und Landwirtschaft. CSU-Chef Edmund Stoiber erklärte am Montag in München seinen Anspruch auf den Posten des Bundeswirtschaftsministers. Das Ressort solle durch Zuständigkeiten aus anderen Häusern aufgewertet werden, sagte er vor Journalisten. Die CSU wird nach Angaben aus Unionskreisen ein zweites Ministerium im Kabinett erhalten.

Im Parteivorstand der SPD war die Einigung umstritten. Dies schlug sich auch in der Abstimmung nieder, bei der nach Teilnehmerangaben Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Familienministerin Renate Schmidt gegen das Ergebnis stimmten und sieben weitere Mitglieder sich enthielten. In der Debatte wurde von zahlreichen Mitgliedern kritisiert, dass Schröder und Müntefering für die SPD die Ministerien für Bildung und für Familie abgegeben hatten. „Es ist sehr problematisch, dass die Union die Ressorts besetzt, in denen es um die Zukunftsfähigkeit geht, und die SPD die Ministerien, die mit Sparen, Kürzen und Problemen zu tun haben“, sagte Vorstandsmitglied Kerstin Griese dem Tagesspiegel. Clement kritisierte das Verhandlungsergebnis Teilnehmern zufolge als „nicht optimal“. Die SPD dürfe nicht in „alte Spurrillen zurückfallen“.

Die SPD will in Kürze über ihr Personal im Kabinett entscheiden. Dabei ist die Vizekanzlerschaft und die Besetzung des Außenministeriums noch ungeklärt. Verteidigungsminister Peter Struck steht nach eigenem Bekunden dafür nicht bereit. Dagegen dürften Heidemarie Wieczorek-Zeul im Entwicklungsministerium und Brigitte Zypries im Justizministerium bleiben. Ulla Schmidt wird in der SPD als aussichtsreichste Kandidatin für das Gesundheitsministerium gehandelt. Müntefering schloss einen Eintritt in das Kabinett als Vizekanzler nicht aus. Das reformorientierte Netzwerk forderte die Erneuerung von Partei, Fraktion und Regierung.

Auf Unionsseite können die niedersächsische Sozialministerin Ursula von der Leyen und die ehemalige baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (beide CDU) mit einer Berufung rechnen. Von der Leyen soll das Familien-, Schavan das Bildungsressort übernehmen. Der frühere CDU-Chef Wolfgang Schäuble wurde sowohl als Innenminister wie auch als Fraktionschef genannt. Für diesen Posten ist allerdings auch CDU-Generalsekretär Volker Kauder im Gespräch. Für die CSU könnte neben Parteichef Edmund Stoiber der Sozialexperte Horst Seehofer in die Regierung eintreten und das Ressort für Verbraucherschutz und Landwirtschaft leiten. Als Nachfolger von Wolfgang Thierse dürfte der CDU-Politiker Norbert Lammert neuer Bundestagspräsident werden.

SPD und Union wollen laut Merkel am Montag die Koalitionsverhandlungen beginnen. Ziel sei, die Gespräche bis zum 12. November abzuschließen. Beide Seiten wollen 15 Unterhändler mit den Verhandlungen betrauen.

Mit Vorbehalten reagierten die künftigen Oppositionsparteien auf die geplante große Koalition. FDP, Grüne und Linkspartei betonten, von der neuen Regierungsmannschaft seien keine großen Fortschritte für Deutschland zu erwarten. FDP-Chef Guido Westerwelle kündigte an, trotz des „persönlich guten Verhältnisses“ bei der Kanzlerwahl im Bundestag nicht für Merkel zu votieren. „Wir sind ab heute Opposition.“

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