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Merkels Männer: Zwei Bundesminister auf Vormarsch

Karl-Theodor zu Guttenberg verstößt gegen ungeschriebene Regeln und wird bereits als Erbe Merkels gehandelt. Mit Rainer Brüderle hatte kaum noch einer gerechnet, doch nun empfiehlt er sich für den Posten als Parteichef.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Antje Sirleschtov

Der Minister macht eine einladende Geste nach links. „Ich würde mich freuen“, sagt Karl- Theodor zu Guttenberg, „wenn wir parteiübergreifend zu Lösungen kommen.“ Auf den Gesichtern der Opposition im Bundestag bleibt die Freude überschaubar. Die Abschaffung der Wehrpflicht fordern die Grünen und Teile der SPD seit langem. Umso mehr wurmt es sie, dass der smarte junge Mann ihnen das populäre Thema im Handstreich weggeschnappt hat. Nur ein Trost bleibt: Sie sind nicht die Einzigen, denen der christsoziale Freiherr allmählich etwas unheimlich wird.

Die Haushaltswoche, in der jeder Minister seinen Etat verteidigen muss, zeigt erneut Guttenbergs Ausnahmestellung in der Koalition. Andere Kabinettskollegen bringen es zum Ruf des soliden Arbeiters. Guttenberg weckt Emotionen – Bewunderung, Neid, Abscheu, meist von allem etwas. Alte Hasen staunen, wie einer dauernd gegen ungeschriebene Regeln verstößt und darauf Erfolg gründet: Man droht nicht als frischgebackener Minister mit Rücktritt, schafft als Konservativer nicht die Wehrpflicht ab, stellt nicht den Ministeriumsstandort Bonn infrage.

Letzteres steht zwar vorerst nur als Idee in Papieren der Bundeswehr-Reformkommission. Aber in solche Papiere kommt nichts rein – und solche Papiere finden nicht den diskreten Weg aus dem Bendlerblock heraus –, wenn es dem Minister nicht gefällt. Überdies passt es zur Art, wie der 38-Jährige Politik macht: als Hasardeurstück, bei dem dank verbindlich-unverbindlicher Wortwahl ein Teilrückzug stets möglich bleibt.

Kurz vor Beginn der Kabinettssitzung tauschen sich Bundeskanzlerin Merkel und Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg aus.
Kurz vor Beginn der Kabinettssitzung tauschen sich Bundeskanzlerin Merkel und Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg aus.

© Tobias Schwarz, Reuters

Bisher funktioniert das bestens. Dabei spielt der vom Boulevard verstärkte Glamour-Faktor des jungen Herrn von altem Adel eine Rolle, dessen Frau sich jetzt auch noch um misshandelte Kinder sorgt. Dazu trägt eine bescheidene Freundlichkeit im Umgang bei – kaum zu glauben, dass der gleiche Mann in Machtfragen von stahlgrauer Kälte sein kann. Vor allem aber erklärt sich das Phänomen KT, wie ihn alle nennen, durch ein Paradox: Kein Politiker versteht es besser als er, sich den Bürgern als Nicht-, ja als Anti-Politiker zu empfehlen. Der Mann, resümiert ein erfahrener Unionskollege, habe es zum Unantastbaren gebracht.

Dass er das zur Durchsetzung praktischer Politik nutzt, stärkt die Imprägnierung weiter. Sein Ex-Förderer Horst Seehofer hat das gerade gespürt. Als der CSU-Chef die Wehrpflicht zur Herzensfrage der Union erklärte, witterte die eigene Partei den Versuch der KT-Demontage und versagte die Gefolgschaft. Als Seehofer doch noch zu gewinnen versuchte und nun forderte, die Wehrpflicht aus dem Grundgesetz zu streichen, bog ihm Guttenberg kurzerhand das Wort um: Der Parteichef habe nur sagen wollen, wie wichtig es sei, die Reform gut zu begründen.

Dass er sich diese Frechheit leisten konnte, hat den gleichen Grund wie die Tatsache, dass auch in der CDU ein Wehrpflichtfreund nach dem anderen auf einmal den Dienst am Vaterland so wichtig nicht mehr findet: Guttenberg ist zum multiplen Hoffnungsträger geworden. Um ihn ist sogar ein stiller Wettbewerb entbrannt. In der CSU fällt sein Name – und sonst keiner mehr – als Nachfolger für Seehofer. Zugleich wird er als Erbe Angela Merkels gehandelt. Michael Glos, dem Guttenberg seinen Aufstieg mit verdankt, hat das sogar öffentlich gesagt: Na klar komme KT als Kanzler infrage.

Bitterernst sind solche Hinweise nicht gemeint, jedenfalls nicht kurzfristig. Aber der Angela mit dem KT winken kann man ja mal. Merkel ihrerseits hat anfangs diskret die Hand über das Talent gehalten und legt ihm keine Steine in den Weg. Als Konkurrent ist er zu jung, gegen die Münchner nützlich, und Glanz im Kabinett mag auch der Chefin helfen. Guttenberg achtet derweil die Kleiderordnung und tut überhaupt so, als gehe ihn das Gemunkel nichts an. Seine größte Sorge dürfte ja auch sein, dass er zu früh gerufen wird – und dann auf den falschen Posten.

Fotos: ddp; dpa
Fotos: ddp; dpa

© dpa

Der Satz war ganz eindeutig als Angriff zu verstehen. Der Angegriffene allerdings wendete das Blatt. Die Rede ist von Rainer Brüderle, dem Wirtschaftsminister der FDP. Ihm hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Montag vorgeworfen, er habe zu Zeiten der großen Koalition gegen jedes Konjunkturprogramm der Bundesregierung gestimmt und brüste sich nun mit dem Wirtschaftsaufschwung, den es allein wegen der Initiativen von Union und SPD gebe. Als „größten Abstauber“ der Politik beschimpfte ihn Gabriel. Was der nicht nur mit einem verschmitzten Lächeln kommentierte.

Brüderle entschied sich sogar, jetzt erst recht abzustauben. Keine 24 Stunden später, Brüderle sprach zum eigenen Etat, erging sich der Minister am Dienstag mit schillerndsten Begriffen („wird Flügel haben“) über das augenblickliche Konjunkturhoch und prophezeite für 2011 sogar einen historischen Tiefpunkt der Arbeitslosigkeit. Mag ja sein, dass die Wirtschaft brummt, weil es Staatsprogramme gab, die er vor Jahren mal abgelehnt hat. Doch wer da draußen erinnert sich schon daran. Wichtig ist allein, dass er es ist, der jetzt im Fernsehen die frohen Botschaften verbreiten kann.

Und das kostet Rainer Brüderle gnadenlos aus. Genau so, wie er vorvergangenen Montag mit breitem Grinsen und stolz gereckter Brust neben Norbert Röttgen stand. „Brüderle ist Sieger im Atomstreit“ hatten die Zeitungen vorher getitelt und die zwölfjährige Verlängerung der Laufzeiten der Meiler als Brüderles Erfolg bezeichnet. „Ein Beispiel für unsere Kabinettskollegen“, flötete daraufhin Brüderle. Auf dass auch jeder die Botschaft versteht: Seht her, der Rainer wird euch mal zeigen, wie man erfolgreich Koalitionspolitik betreibt.

Kanzlerin Merkel und Bundeswirtschaftsminister Brüderle sitzen im Plenarsaal des Bundestages in Berlin zusammen. Das Parlament berät weiter überden Bundeshaushalt für das Jahr 2011.
Kanzlerin Merkel und Bundeswirtschaftsminister Brüderle sitzen im Plenarsaal des Bundestages in Berlin zusammen. Das Parlament berät weiter überden Bundeshaushalt für das Jahr 2011.

© Rainer Jensen, dpa

Keine zehn Monate ist es her, da schien die Rolle Brüderles im Kabinett festzustehen: Der Frühstücksminister von der FDP. Immer freundlich lächelnd. Gern einen Scherz im Gepäck. Ohne jede erkennbare politische Agenda. Rainer Brüderle, der Liberale aus Rheinland-Pfalz, galt als betulich und oldfashioned. Und in seiner Partei waren sich alle sicher, FDP-Chef Guido Westerwelle habe ihm das Wirtschaftsministerium sozusagen als Gnadenbrot geschenkt. Für jahrelange gute Dienste in der Partei.

Doch das Bild hat sich gewendet. Und zwar grundlegend. Im Streit um Opel- Staatshilfen hat Brüderle vor der Sommerpause ein Pingpong mit CDU-Kanzlerin Merkel gespielt: Sie konnte den CDU- Länderchefs ihren FDP-Minister als Grund für die Absage von Bundeshilfen präsentieren, er hatte in der FDP sofort Heldenstatus: Endlich hält einer mal ordnungspolitisch, was er verspricht. Brüderle zeigt den Seinen, wie man regiert: Nicht mit dem verbalen Holzhammer, nicht in Frontstellung zum großen Koalitionspartner. Dafür aber immer auf der Suche nach kleinen Erfolgen, die man der eigenen Partei gut verkaufen kann. Brüderle hat elf Jahre mit der SPD regiert. Das schult.

Schon beobachten aufmerksame Liberale, wie der findige Pfälzer nach Höherem greift. Ohne sich zu brüsten, ohne aufzufallen: Das Gegenmodell zum Parteichef also. Kein anderer Partei-Vize außer ihm nimmt an allen vier FDP-Regionalkonferenzen teil, die gerade quer durch Deutschland stattfinden. Überall präsentiert er sich als ordnungspolitisches Gewissen und standhafter Liberaler. Lob und Applaus zollte ihm das erste Forum am vergangenen Wochenende.

Schulterklopfen auch im FDP-Vorstand am Montag. Brüderle streichelt die Seele der Partei. Und er empfiehlt sich nebenbei für den Posten eines Parteivorsitzenden und Vizekanzlers. Man weiß ja nie so genau, wie lange die FDP noch auf ihren aktuellen Vorsitzenden setzt.

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