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Christine Haderthauer.

© dpa

Modellbau-Affäre: Christine Haderthauer - auf Attacke programmiert

Laut, forsch, fordernd: Die Modellbau-Affäre zeigt, dass die bayerische Staatsministerin Christine Haderthauer die Kunst der Verteidigung nicht beherrscht.

Dieses Bild aus dem März 2013 hängt ihr nach. Christine Haderthauer, damals bayerische Sozial- und Familienministerin, besucht eine Flüchtlingsunterkunft in Würzburg. Mit einer Gruppe aufgebrachter Asylbewerber, die auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam machen, möchte die CSU-Ministerin aber nicht reden. Die Männer blockieren ihren Dienst-Audi, mit dem sie wegfahren will. Einer steht auf Krücken direkt davor. Nach zehn Minuten weichen die Leute.

Spätestens da hatte Christine Haderthauer, die seit dem vergangenen Herbst in Horst Seehofers Staatskanzlei als Ministerin die Geschäfte führt, ihren Ruf weg: Hartherzig sei die Frau aus Ingolstadt, kalt, eine eiskalte Politikerin, die nur die Macht anbetet. In Sachen Krisenbewältigung agierte sie schon da nicht glücklich. Die Situation im Auto mit den Männern drumherum sei für sie „sehr bedrängend“ gewesen, sagte sie. Einem Fotografen warf sie vor, die Szene mit dem Krückenmann gestellt zu haben, später relativierte sie das. Als sich kurz darauf in München Asylbewerber auf die Straße legten und nichts mehr aßen und tranken, zeigte sich Haderthauer gar nicht. „Als Sozialminister wäre ich schon ein paar Mal hergekommen und hätte versucht, mit den Leuten zu reden“, klagte damals ein Münchner CSU-Stadtrat.

Sie ist durchschaubar

Die aktuelle Modellauto-Affäre mit ihren vielen Facetten des schlechten Geschmacks, in die das Ehepaar Christine und Hubert Haderthauer von Tag zu Tag tiefer hineinschlittert, zeigt erneut und auf wesentlich drastischere Weise ein Defizit der 51-jährigen Politikerin: Verteidigung kann sie nicht. Und schon gar nicht, mögliche Fehler zugeben, um damit eine Situation zu deeskalieren. Christine Haderthauer ist, und diese Qualität schätzt auch Ministerpräsident Horst Seehofer, auf Attacke programmiert. Aufs Durchmarschieren, auf die Erfüllung von Aufträgen. Sie ist durchschaubar, zum höheren Taktieren eignet sie sich nicht.

War es möglicherweise keine so gute Idee, als die Rechtsanwältin Christine Haderthauer in den 1990er-Jahren gemeinsam mit ihrem Ehemann Hubert Haderthauer, einem Arzt und Psychiater, als Nebenerwerbsquelle die von einem psychisch kranken Mörder gebauten Modellautos vertrieb? So würde sich Christine Haderthauer das nicht fragen. Es war möglich, und es war zum damaligen Zeitpunkt legal. Seit Freitag ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen sie, ein Landtags-Untersuchungsausschuss steht an. Sie steht unter Betrugsverdacht, beim Ehegatten wird wegen Betrugs und Steuerhinterziehung ermittelt. Tag für Tag kommen neue Fragen zu dem Komplex um „Sapor Modellbau“ auf: Warum wurden von ihrem Konto noch 2009 Überweisungen getätigt, obwohl sie sich angeblich schon Ende 2003 mit Beginn der politischen Karriere als Gesellschafterin zurückgezogen hat? Welchen Zweck hatten Flüge für zwei Personen nach Paris und in die Türkei, die bei Sapor Modellbau als Betriebsausgaben angesetzt waren? Wer flog da? Und warum wurde der französische Unternehmer Roger Ponton, auf dessen Klage hin die Ermittlungen begannen, als Mitgesellschafter offenbar kaum informiert?

Akribisch und kleinteilig

So wird nun akribisch und kleinteilig untersucht. Die Opposition fällt aber auch moralische Urteile. Haderthauer sei „charakterlich ungeeignet“ für den Ministerjob, sagt die Landtags-SPD. Tatsächlich ist es schon schwer erträglich nachzulesen, auf welche Weise das Modellbautalent Roland S., heute 77 Jahre alt, seine drei Sexualmorde begangen hat – dann aber von Hubert Haderthauer, der ihn im Bezirksklinikum Ansbach kennengelernt hatte, protegiert wurde. Unter seiner Anleitung sollen 130 Modellautos gebaut worden sein.

Zielstrebig und effektiv – so kann man Christine Haderthauers Lebenslauf beschreiben. In Schleswig-Holstein wurde sie geboren, kam aber schon als kleines Kind nach Bayern. Ihre inzwischen erwachsenen Kinder habe sie mit ihrem Mann, so sagt sie immer wieder stolz, „partnerschaftlich“ erzogen. Währenddessen bastelte sie an der Anwaltskarriere, der Mann wurde Landgerichtsarzt in Ingolstadt.

Erst dann kamen die CSU und der Job der Berufspolitikerin. Seehofer schätzt an ihr, dass sie so vielseitig einsetzbar ist – sie war Generalsekretärin, dann Ministerin, nun ist sie in der Staatskanzlei im Zentrum der Macht. Immer wieder gibt sie die Seehofer-Deuterin und spricht nach Kabinettssitzungen für die Staatsregierung. Es gelingt ihr, recht Gegensätzliches zu vertreten, wenn es nötig ist. So verlangt sie immer wieder mehr Gleichberechtigung für Frauen im Beruf und prangert die gläserne Decke auf dem Weg nach oben an. Zugleich war sie maßgebliche Verfechterin des Betreuungsgeldes.

Keine richtige Bayerin?

Für Seehofer ist Haderthauer eine Notwendigkeit. Er braucht sie, weil er Frauen fördern will. Doch in der Partei war sie auch schon vor der Affäre nicht sehr beliebt: zu laut, zu forsch, zu fordernd. Und die Traditionalisten versuchen sie auch damit anzuschwärzen, dass sie keine richtige Bayerin sei. Nicht von der Geburt und auch nicht von der Sprache her – sie spricht Hochdeutsch ohne bayerischen, fränkischen oder schwäbischen Akzent. Als mögliche Seehofer-Nachfolgerin dürfte sie nun nicht mehr im Rennen sein. Der innerparteiliche Druck auf sie wird sich erhöhen, doch gegenwärtig döst Bayern in den Sommerferien.

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