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Schau hie, da liegt a Sepp! Manche Bayern sind schnell zu erkennen, aber warum eigentlich haben sie eine eigene Partei?

© DPA

Mon Berlin: Komisch, konservativ, selbstgefällig – CSU

Wie kann eine Partei ein ganzes Bundesland verkörpern und seit Jahrzehnten (fast) uneingeschränkt regieren? Was hierzulande keinen aufregt, macht Franzosen sprachlos. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Pascale Hugues

Manchmal verlangt die Redaktion in Paris Unmögliches von ihren Auslandskorrespondenten: „Was ist das eigentlich für ein komisches Anhängsel an der CDU? Die CSU, was heißt das? Kannst du uns das erklären?“ Es war am Luthertag, das ganze protestantische Deutschland feierte seinen große Reformator, als ein Anruf aus Paris mich – ganz allein – in das Land der kleinen Gipsjungfrauen an den Wegkreuzungen katapultierte, das Land der Beichtstühle in den mit Vergoldungen und Engelchen überladenen Kirchen, das Land der Nonnen, die mit seligem Lächeln Bayerns Straßen entlang trippeln.

Wie soll man den Lesern eines durch und durch zentralistischen Landes wie Frankreich vermitteln, welche Privilegien der Freistaat sich nach dem Krieg ertrotzt hat? Ausgeschlossen, dass diese so individualistische und so stolze Region ihre politischen Kräfte mit der CDU von Konrad Adenauer verschmolzen hätte. Um jeden Preis musste sie ihre regionalen Besonderheiten bewahren und mit der CSU ihre eigene Partei gründen, mit der Mission, gewissenhaft über die spezifischen Interessen der Bayern zu wachen und die sehr konservative Weltsicht zu verteidigen. Und wie soll ich meinen Lesern erklären, dass die CSU und ihre oft sehr lauten und selbstgefälligen Minister jeden Mittwoch auf den für sie reservierten Sesseln mit der Kanzlerin über die Zukunft des ganzen Landes diskutieren dürfen. Bayern: ein Staat im Staat, mit unglaublichen Privilegien. Weit entfernt vom harmlosen Klischee der Lederhosen, Gamsbart-Hüte, Dirndl, Brezeln und Bierkrüge – Bildern, die den Franzosen beim Wort Bayern sofort einfallen.

Wie konnte die AfD in Bayern erfolgreich werden? Incroyable!

Und wenn die Granden der CSU klagen, sie hätten bei den Wahlen vom 24. September „nur“ 39 Prozent der Stimmen eingefahren, wenn Edmund Stoiber aufgebracht feststellt: „39 Prozent vertragen sich nicht mit der DNS der CSU!“, sind die Franzosen sprachlos.

Wie kann eine Partei ein ganzes Bundesland verkörpern und seit Jahrzehnten (fast) uneingeschränkt regieren? Und warum werden diese unangefochtenen Herrscher von einem Neuankömmling in der politischen Szene bedroht? Aus dem Stand reißt die AfD 12,4 Prozent der bayerischen Stimmen an sich. Ein Paradox: Warum kann eine derart reiche und prosperierende Region, die mit einer stabilen Identität und einem soliden Wertesystem angibt – warum kann ausgerechnet diese Region von den Populisten so leicht verführt werden?

„Die Republik ist eins und unteilbar.“ Auf diesem Fundament ruht der französische Staat, Regionalisten können ihre kulturellen Besonderheiten nur schwer zur Geltung bringen. Und die Verfechter der Unabhängigkeit sind machtlos. Jahrhunderte des Jakobinertums haben die Autonomiebestrebungen der Regionen erledigt, Paris hat alle Rebellen ausgeschaltet. Die korsischen Separatisten werfen keine Bomben mehr. Sie sind vom bewaffneten Kampf zur politischen Integration gewechselt. Die Bretonen melden sich von Zeit zu Zeit zu Wort, haben in Paris aber nicht den geringsten Einfluss. Von den Provenzalen hört man nie etwas, erst recht nicht von den Elsässern, die doch aufgrund ihrer turbulenten Geschichte Anspruch auf einen Sonderstatus gegenüber Paris hätten. Frankreich ist eine Glucke, besitzergreifend und sehr autoritär, die ihre Kinder eng unter ihre Fittiche schart. Aber wie lange noch? Werden die Bayern, Elsässer, Katalanen, Bretonen und Schotten, jeder auf seine eigene Art, das Europa von morgen formen?

Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke.

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