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Dieses Mädchen wartet mit ihrer Mutter auf einen Bus nach Kenia. Die somalischen Reisenden werden akribisch durchsucht, bevor sie fahren dürfen.

© Reuters

Die Krise in Somalia: Monate im Container

Der politische Berater der EU-Ausbildungsmission in Somalia gibt seinen Posten auf. Derweil streitet die Regierung über den richtigen Weg und um die Macht.

Vier Monate lang hat Professor Stefan Brüne im  Auftrag des Auswärtigen Amts versucht, sich als politischer Berater der europäischen Ausbildungsmission in Somalia nützlich zu machen. Seit einem knappen Jahr bildet die EU-Trainingsmission (EUTM Som) Soldaten für die somalische Armee in Mogadischu aus. Zuvor hatte sie das drei Jahre lang in Uganda getan. Mit dem Umzug nach Mogadischu wollte die Europäische Union ein Zeichen setzen, dass es in dem Krisenland am Horn von Afrika aufwärtsgeht. Doch trotz positiver Entwicklungen, die Brüne lobt, hat er doch große Zweifel am Nutzen des Einsatzes, an dem aktuell vier Bundeswehrsoldaten beteiligt sind.

Brüne berichtete bei der Friedrich- Ebert-Stiftung, die am Donnerstag ihren Menschenrechtspreis an die somalische Frauenaktivistin Fartuun Adan verliehen hat, vom Alltag der EU-Militärausbilder in Mogadischu. „In den vier Monaten bin ich für genau zwei Stunden aus dem hoch gesicherten Containerlager am Flughafen herausgekommen“, erzählte er. Zwei Stunden lang konnte er das tun, wofür er eigentlich gekommen war: politische Gespräche mit Somaliern führen. Doch dafür musste ein Panzer vor und einer hinter dem kugelsicheren Fahrzeug herfahren, in dem er saß. Nach seinem Eindruck legte General Massimo Mingiardi, der die EUTM-Mission leitet, auch keinen allzu großen Wert auf „politische Beratung“.

Die europäische Ausbildungsmission kämpft mit schwierigen Bedingungen

Angesichts der schwierigen Sicherheitslage ist die Ausbildungsmission relativ aufwendig. Rund 1400 Soldaten haben die Ausbildung seit Anfang des Jahres durchlaufen, berichtet die Mission. Dabei geht es für die Anfänger um so grundlegende Dinge wie Lesen und Schreiben, das viele Rekruten nicht beherrschen. Es geht um die Sicherung von Gebäuden, von Kameraden im Einsatz, und darum, wie man sich in einer Stadt bewegt, in der jederzeit Autobomben hochgehen oder Selbstmordattentäter ihre Sprengstoffgürtel zünden können. Die Friedenstruppe der Afrikanischen Union (Amisom) und die somalische Armee, deren Aufbau die EU unterstützen will, müssen jeden Trainingskurs umfangreich sichern. Neben Anfängern bilden die EU-Soldaten auch somalische Ausbilder für die Armee aus, die sie dann bei ihrer Arbeit weiter begleiten. Sie bilden nach Angaben der Bundeswehr zudem Spezialisten und Führungspersonal aus. Oft treffen sie Soldaten wieder, die zuvor in Uganda in der Ausbildungsmission ihr Handwerk gelernt haben.

Fartuun Adan hat den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung bekommen, weil sie sich in der somalischen Hauptstadt Mogadischu unerschrocken um misshandelte Frauen kümmert.

© K. Börner

Fartuun Adan berichtete, dass es für die somalische Zivilbevölkerung trotz aller militärischen Erfolge von Amisom und der somalischen Armee keine Sicherheit gebe. „Jeden Tag kann alles passieren“, sagte sie. Farah Mohamed, derzeit Berater im somalischen Verteidigungsministerium, bestätigt diese Erfahrung. Er ist nach Jahrzehnten in Bad Honnef nach Mogadischu zurückgekehrt und ist jeden Tag froh, wenn er heil durch die Stadt gekommen ist. „Bedrohungen gibt es ständig“, sagt er. Oft als Text auf dem Telefon oder auch Anrufe mit obskuren Warnungen.

Al Schabaab "ist nicht weg"

Während sich Farah Mohamed immer noch darüber freut, dass die EU nach Mogadischu gekommen ist, ist Fartuun Adan kritischer. Sie wünscht sich, dass das Militär nicht nur „Gebiete befreit“, sondern sich darum kümmern möge, dass es auch dann noch Sicherheit gibt, wenn sie wieder abgezogen ist. Dafür brauche es einen politischen Prozess mit den politischen Anführern, aber auch der aktiven Zivilgesellschaft. Die Terrororganisation Al Schabaab „ist ja nicht weg“. Die Terroristen leben mitten in der Gesellschaft, weiß sie. Denn sie bemüht sich mit ihrem Elman Peace and Human Rights Center auch darum, Kindersoldaten der Al Schabaab einen zivilen Weg zu eröffnen.

Das Auswärtige Amt jedenfalls will Stefan Brüne nicht ersetzen und niemanden mehr für die politische Beratung bezahlen, sagte ein Vertreter des Ministeriums am Donnerstag. Aber die Bundeswehr plant zum 1. Januar 2015 einen dritten Ausbilder nach Mogadischu zu schicken. Dann wären fünf deutsche Soldaten im Einsatz. Einer arbeitet als strategischer Berater der somalischen Armee, einer berät die EUTM-Führung.

Streit in der Regierung

Seit der somalische Präsident Hassan Scheich Mohamud 2012 ins Amt gewählt worden ist, hat sich die Lage in Somalia einerseits stabilisiert. Mit Hilfe der Amisom-Truppen gelang es der Regierung, große Teile des Landes zumindest der dauerhaften Kontrolle von Al Schabaab zu entreißen. Aber gerade weil die Miliz in Somalia schwächer wird, wird sie für die Zivilbevölkerung umso gefährlicher. Selbstmordattentate können jederzeit passieren. Fartuun Adan sagt: "Es gibt keine Sicherheit." Derweil verlagert al Schabaab das Aktionsfeld immer weiter ins Nachbarland Kenia - und rekrutiert dort neue Kämpfer. Ende vergangener Woche verlor der Premierminister den Machtkampf mit dem Präsidenten. Fartuun Adan sagt dazu nur: "Die Regierung und die Zivilgesellschaft sind sich nah, aber sie sollen nicht unter sich kämpfen." Die Somalier seien der Kämpfe müde.

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