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Anstehen beim Arbeitsamt: In Griechenland ist die Arbeitslosigkeit besonders hoch - und damit auch die Perspektivlosigkeit.

© dpa

Nach dem Brexit: Europa neu beleben

Ein Wachstumspaket für Europa soll vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen. Was wird getan, was wird erreicht?

Die Koalition streitet. Wieder einmal. Nach dem britischen Referendum über den Verbleib in der EU geht es um das richtige Rezept zur Rettung der EU. SPD-Chef Gabriel hat dazu Vorschläge gemacht, die bei CDU-Finanzminister Schäuble gar nicht gut ankommen. Es geht um Konjunkturförderung, neue Schulden und den Kampf gegen die in Europa grassierende Jugendarbeitslosigkeit.

Worum geht es in der aktuellen Debatte um einen EU-Wachstumspakt

Schon ihrem Wahlprogramm für die Europawahl 2014 hatte die SPD den Titel gegeben „Europa eine neue Richtung geben“. „Wir treten dafür an, dass das europäische Projekt nicht noch weiter an Vertrauen verliert“, heißt es darin. Auf einem Europa-Kongress seiner Partei sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel nun, die EU müsse ihre drei Grundversprechen besser einhalten, um den Zerfall der Union zu verhindern. Diese seien Frieden, Wohlstand für alle und Demokratie. Konkret tritt er unter anderem für einen europäischen Wachstumspakt mit Investitionen in Infrastruktur, Forschung und Bildung ein, und für weitere Programme gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen Mitgliedsstaaten. Tenor: Wenn Europa seiner Jugend keine Perspektive bietet, wird es sie nicht für die europäische Idee begeistern können. Um den Pakt zu finanzieren, stellt die SPD die harte europäische Sparpolitik infrage, auf die nicht zuletzt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) besteht. Gabriel sagte zwar am Sonntagabend im ZDF, er wolle keine neuen Schulden, sondern zunächst gegen Steuerhinterziehung in Europa vorgehen, um das nötige Geld hereinzubekommen. Andere SPD-Politiker hingegen tun sich mit Äußerungen hervor, wonach die „schwarze Null“ – der ausgeglichene Haushalt – nichts als ein „Fetisch“ des Finanzministers sei. „Die derzeit geltenden Zinsbedingungen erlauben uns deutlich mehr Spielraum, den wir in Europa nutzen sollten“, sagte etwa der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Axel Schäfer.

Was ist bereits an Investitionen geplant?

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte schon im vergangenen Jahr ein milliardenschweres Investitions- und Wachstumspaket präsentiert, mit dem er die EU „wieder auf Wachstumskurs bringen“ will. Tatsächlich hatten die Sozialisten im Europa-Parlament ihre Zustimmung zur Wahl Junckers zum Kommissionspräsidenten davon abhängig gemacht, dass er ein solches Programm auf den Weg bringt. Inzwischen haben die Parlamentarier aber Zweifel, ob der „Juncker-Plan“ die gewünschten Erfolge bringen kann. Denn ein Großteil der anvisierten Investitionen soll von privaten Kapitalgebern kommen. Die EU sichert diese nur ab. Insgesamt sollen 315 Milliarden Euro über drei Jahre verteilt investiert werden. Die EU-Kommission und die Hausbank der EU, die Europäische Investitionsbank (EIB), stellen aber lediglich einen Grundstock von 21 Milliarden Euro zur Verfügung, fünf Milliarden davon speziell zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen. Der Rest, 294 Milliarden Euro, besteht aus privatem Risikokapital, vorzugsweise von Versicherungen. Kritiker bemängeln, dass die Kommission damit nur wenig direkte Steuerungsmöglichkeiten hat.

„Die Fondsmittel fließen in strategische Investitionen in Schlüsselbereichen wie Infrastruktur, Bildung, Forschung und Innovation und dienen als Risikokapital für kleine Unternehmen“, heißt es auf der Internetseite der EU-Kommission. Noch gibt es aber nur wenige Projekte mit einem Gesamt-Investitionsvolumen von weniger als zehn Milliarden Euro.

Welche Pläne gibt es zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit?

Auch hier war die EU bisher nicht untätig. Unter dem Eindruck der dramatischen Entwicklung – in manchen EU-Staaten sind mehr als die Hälfte der unter 25-Jährigen ohne Arbeit – beschlossen die EU-Staaten schon 2013, jungen EU-Bürgern eine Art Beschäftigungsgarantie zu geben. Spätestens vier Monate nach dem Schulabschluss sollen sie einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz erhalten oder zumindest ein Praktikum oder eine Weiterbildungsmaßnahme angeboten bekommen. Die „Jugendgarantie“ muss von den EU-Staaten selbst umgesetzt werden. Die Kommission schätzt, dass die Initiative die Mitgliedsstaaten insgesamt rund 21 Milliarden Euro pro Jahr kosten wird. Das entspricht rund 0,22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Eurozone. „Untätigkeit wäre sehr viel teurer“, heißt es in einer EU-Veröffentlichung. Brüssel selbst steuert Mittel aus dem europäischen Sozialfonds und sechs Milliarden Euro aus der Jugendbeschäftigungsinitiative bei.

Gibt es schon Erfolge zu vermelden?

Die Bundesagentur für Arbeit hat im April 2016 einen Bericht zur Arbeitsmarktstatistik im europäischen Vergleich veröffentlicht. Demnach gab es im Februar 2016 in der EU rund neun Prozent weniger Arbeitslose unter 25 Jahren als noch ein Jahr zuvor. „In einer Reihe von Fällen hat die Jugendgarantie als starker Impuls für die Politik gewirkt“, kommentiert das SPD-geführte Bundesarbeitsministerium von Andrea Nahles die Zahlen. In Griechenland und Portugal sank die Quote um 12 Prozent, in Spanien sogar um 16 Prozent. Doch auch weiterhin sind in den drei Staaten ebenso wie in Zypern, Italien und Kroatien noch immer mehr als 50 Prozent der Jungen ohne Job. Ein durchschlagender Erfolg ist also noch nicht erkennbar. „Die Jugendgarantie kann nur ein erster Schritt bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sein“, heißt es im Nahles-Ministerium. Ebenso wichtig seien strukturelle Reformen in den Mitgliedstaaten und eine Verbesserung der öffentlichen Arbeitsvermittlung.

Welche Pläne gibt es noch, die Krisenländer zu unterstützen?

Die EU-Kommission will den Defizit-Sündern Spanien und Portugal offenbar mehr Zeit geben, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. Beide Länder verstoßen noch immer gegen die Regeln es EU-Stabilitätspaktes. Danach darf das Haushaltsdefizit drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen. Aus Berlin kommt Gegenwind: „Eigentlich sind die Regeln des Stabilitäts- und Defizitpakts dafür da, dass sie angewandt werden", soll Wolfgang Schäuble laut ARD nach der letzten Sitzung der Eurogruppe gesagt haben. Am Sonntagabend lud er indes junge Menschen aus den südlichen EU-Ländern ein, nach Deutschland zu kommen, wenn sie zu Hause keine Ausbildung bekämen. „Wir machen in Europa große Ankündigungen. Aber wir schaffen es nicht, ein paar Zehntausend aus Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit auszubilden“, sagte Schäuble in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin.

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