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Die Berichterstattung rund um den Prozess gegen Jörg Kachelmann stand in der Kritik.

© dpa

Nach dem Fall Kachelmann: Vergewaltigungsprozesse: Union will Auflagen für Medien

Eine Einschränkung für Berichte über Sexualdelikts-Prozesse fordert der Vorsitzende des Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags, Siegfried Kauder. Die FDP ist wenig begeistert von diesem Vorschlag.

Der Prozess gegen Wettermoderator Jörg Kachelmann ist vorbei. Nachwirkungen entfaltet er aber immer noch. Jetzt wollen Rechtsexperten der Union die Berichterstattung über Vergewaltigungsprozesse beschränken. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Siegfried Kauder (CDU), sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Es darf nicht sein, dass die Intimsphäre der Betroffenen bis in den letzten Winkel in aller Öffentlichkeit ausgebreitet wird." Kauder spricht sich dafür aus, dass Medien verpflichtet werden müssten, nicht über Aussagen zu berichten, die vor Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht würden. "Was hilft es dem Opfer einer Vergewaltigung, dass es sich hinter verschlossenen Türen dem Gericht anvertrauen kann, wenn sämtliche Aussagedetails später doch in der Zeitung stehen?" Kauder spricht davon, dass es eine Tendenz gebe, wonach Verfahren wegen Vergewaltigung medial rücksichtslos ausgeschlachtet würden. Das wiederum entmutige Opfer sexueller Gewalt, sich an die Behörden zu wenden. Es wäre aber fatal, wenn die ohnehin geringe Anzeigebereitschaft der Betroffenen weiter abnehme, warnte Kauder. Er schlug vor, strengere Auflagen für die Berichterstattung über Sexualdelikte notfalls gesetzlich zu regeln, "soweit die Medien sich nicht zu einer überzeugenden Selbstverpflichtung bereit erklären".

Auch CSU-Rechtsexperte Norbert Geis sagte der Zeitung, eine Selbstregulierung der Medien sei dringend geboten. Geis forderte einen "Ehrenkodex, mit dem sich die Branche verpflichtet, weitaus zurückhaltender über Prozesse wegen sexueller Gewalt zu berichten". Grundsätzlich sei die Öffentlichkeit des Strafprozesses eine Errungenschaft, "die Berichterstattung darf aber nicht so weit führen, dass die Betroffenen dadurch an den Pranger gestellt und vorverurteilt werden", sagte Geis.

Beim Koalitionspartner kommt dieser Vorstoß weniger gut an. Der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Christian Ahrendt, sagte dem Tagesspiegel: "Man sollte nicht die Berichterstattung einschränken, sondern die Prozessbeteiligten sollten sich einschränken." Denn Akten aus dem Prozess würden nicht zufällig in die Öffentlichkeit geraten, die würden lanciert. "Und auch die Zeugen haben ihre Geschichte verkauft, um damit Geld zu verdienen. Da muss sich im Anschluss niemand über die Berichterstattung beschweren." Ein Strafprozess sei öffentlich und dazugehöre auch Berichterstattung. "Außerdem sollte man sich auch bewusst sein, dass es im Strafprozess keine Entscheidung im Zweifelsfall für die Opfer gibt. Er hat allein die Aufgabe eine Schuldfrage zu klären oder eben zu entscheiden wie im Fall Kachelmann, wenn Aussage gegen Aussage steht und es nicht genug Beweise gibt - in die eine oder andere Richtung." Ähnlich sieht es Hartfrid Wolff, Vorsitzender des Arbeitskreises Innen und Recht der FDP-Fraktion. "Der Opferschutz ist natürlich ein hohes Gut, aber diesen sicherzustellen ist Aufgabe des Gerichts und der Prozessbeteiligten", sagte Wolff dem Tagesspiegel. Die Regelungen dafür reichten aus. "Jetzt mit Gesetzesverschärfungen zu drohen halte ich für absurd", sagte Wolff.

Auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) lehnt Auflagen ab. Der Pressekodex des Deutschen Presserates ziehe hier schon eindeutige Grenzen, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken am Mittwoch. "Der Schutz der Privatsphäre von Opfern wie auch von Zeugen hat Vorrang vor der Berichterstattung“, sagte er. "Diese Selbstverpflichtung der Medien macht gesetzliche Regelungen überflüssig (...) Rechtspolitiker sollten sich erst mit der Sachlage vertraut machen, bevor sie die Pressefreiheit in Teilen zur Disposition stellen."

Der DJV-Landesverband Brandenburg sprach sich allerdings dafür aus, nach den Erfahrungen des Kachelmann-Prozesses den Pressekodex zu erweitern. "Medien dürfen Verfahrensbeteiligten in Gerichtsverfahren keinerlei Vergünstigungen oder Geld vor Ende ihrer Teilnahme am Verfahren anbieten“, zitierte der Geschäftsführer Klaus Minhardt den in einer Vorstandssitzung beschlossenen Passus. „Über Zeugen und deren Äußerungen darf erst nach deren Anhörung vor Gericht berichtet werden", heißt es weiter. Somit soll verhindert werden, dass Zeugen vorab in Interviews Auskunft geben. (Mit dpa)

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